Against the time … von Johannes Martin

Zeit ist der beste Köder …

Diese Floskel kommt bei den verschiedensten Diskussionen zum Thema Silure immer wieder auf den Tisch. Und warum? Weil sie genau ins Schwarze trifft. Wer die Zeit auf seiner Seite hat, wird früher oder später zum Erfolg kommen. Deshalb versuche ich aus der mir fürs Angeln zur Verfügung stehenden Zeit immer das Maximale zu machen. Das heißt für mich, so früh wie möglich am Wasser zu sein, um in aller Ruhe meine Köder zu postieren.

Leider gibt es Tage, an denen andere Dinge Vorrang haben und erledigt werden müssen, bevor der Wels in den Fokus rücken kann. An diesen Tagen wird die Zeit zum Gegner und tickt souverän unseren Planungen entgegen. Dass man sich von davon trotzdem nicht abhalten lassen sollte seine Vorhaben durchzuziehen hat uns die im Folgenden beschriebene Session mal wieder bewiesen.

Freitagnachmittag: Ich sitze vorm TV und zappe nervös durch die einzelnen Kanäle. Das übliche, „hochwertige“ Nachmittagsprogramm flimmert über’ n Bildschirm. Ich verfolge dieses Schauspiel mit leerem Blick, denn meine Gedanken sind längst woanders.

– Gibt’s noch etwas, was ich vorbereiten könnte?
– Steine? – Sind gebunden!
– Boot? – Startklar!
– Köder? – Jou, hab ich!

Es hieß also warten. Warten darauf, dass mein Freund Ruppi seine Schicht beendet würde und wir starten können. Plötzlich eine SMS: „Wird wohl 18 Uhr…“ Sofort drängen sich erste Zweifel auf. Immerhin würde es um spätestens 19 Uhr komplett dunkel sein. Dazu kam, dass wir an diesem Abend einen Platz befischen wollten zu dem wir übersetzen mussten und den wir bisher noch nie befischt hatten. Beste Vorrausetzungen also. Aber schlimmer, als wenig Zeit zum Fischen zu haben ist es, dies als Grund dafür zu nehmen es erst gar nicht zu versuchen. Eine Absage des Ansitzes kam also nicht in Frage!

18.00 Uhr:

Pünktlich rollt Ruppi mit seinem Gespann in meine Einfahrt. Kurze Absprache und losgeht‘ s. Als wir am Gewässer ankommen ist es bereits dunkel. Wir biegen in den Weg ein, der uns zu der Stelle führt wo wir die Boote wässern wollen. Plötzlich, auf halber Strecke taucht eine Absperrung im Licht meiner Scheinwerfer auf. „Auch das noch…!“ Beim näheren Begutachten des Tores erkannten wir, dass der Beton noch nicht fest war, das Tor musste erst kurze Zeit vorher errichtet worden sein. „So eine Sch…!!“

Mein Blick geht zur Uhr…“Oh je, Jackpot“, denke ich während die Uhr unserem vermutlichen Blank entgegentickt. Passend dazu beginnt es jetzt natürlich auch noch zu regnen. Wir beschließen unsere Autos hier stehen zu lassen und unseren Kram, inklusive Schlauchis ein Stück zu schleppen, um sie an einer steilen Böschung ins Wasser zu lassen. Während wir unser Zeugs Stück für Stück Richtung Wasser tragen, schweife ich mit den Gedanken in die Vorwoche. Da kamen die meisten Bisse in der Dämmerungsphase, dementsprechend gedämpft war die Erwartungshaltung beim Blick aufs Zeiteisen.

Am Platz angekommen …

zahlten sich dann die detaillierte Vorbereitung und das Auskundschaften der Platzstruktur in der Vorwoche aus. Die Steine waren gebunden, die Vorfächer passend zur Ködergröße geknüpft und so lagen die Montagen ruckzuck genau dort wo sie liegen sollten. Wir befischten ein Flachwasserplateau, das zu allen Seiten gleichmäßig abfiel und am unteren Ende an ein Kehrwasser anschloss.

Kehrwasser und Kante wurden vermint und es begann das Bange warten. War unsere Zeit für heute schon abgelaufen? Hatten wir die Welse verpasst?

Jede dieser Hinterfragungen endete mit einem Blick auf die Rutenspitzen, die die Antwort scheinbar für sich behalten wollten.
Plötzlich bricht Ruppis „Strömungskantenrute“ das Schweigen und geht voll in die Knie. Der Fisch zieht in die Strömung. Ruppi macht Druck und hält den Fisch im Zaum. Augenblicke später bricht der Widerstand des Silures und ich kann einen kugelrunden, halbstarken Frühjahrswaller greifen und landen.

Der Haken sitzt tief und das Lösen erfordert Geschick …

und dauert eine Weile. Um den Fisch nicht zusätzlich zu strapazieren verzichtet Ruppi auf sein Foto und entlässt seinen Fang wieder in die Fluten. Danach ging‘ s dann so langsam ans Essen. Die Schwenker brutzelten vor sich hin und wir redeten über Gott und die Welt. Eigentlich muss ich, wenn ich jetzt so darüber nachdenke echt lachen. Geschifft hat‘s ja immer noch und die Schirme standen bereit.

Trotzdem standen wir noch gute zwei Stunden wie die begossenen Pudel im Regen, tranken ein Pils und realisierten das Mistwetter gar nicht. Schon ziemlich bescheuert, aber ich finde das sind die Momente, die das Angeln ausmachen. Genial. Der Zeitdruck und Stress der vergangenen Stunden war komplett vergessen. Die Zeit war wieder unser Freund, denn die Ruten lagen gut und es würde noch stundenlang dunkel bleiben.

Tick Tack, Tick Tack, Tick Tack … BISS!!!

Alarm im Kehrwasserkarussell! Zum Vorschein kommt ein stattlicher, wohlgenährter und hell gefärbter Wels. Diesmal gab‘s dann auch schnell ein Foto, bevor der Fisch sich wieder ins Getümmel stürzen durfte.

Müde öffne ich meine Augen …

Ein grauer Tag liegt vor mir. Alles ist komplett durchnässt. Unser Platz hat sich über Nacht in eine Schlammlache verwandelt. Einige der Ruten stehen stark gekrümmt im Rutenhalter. Treibgut hatte sich verfangen und zog die Spitzen konstant nach unten. Auch in meine Schuhe hatte es reingeregnet.

„Na bravo … wenn der Tag schon so anfängt“

Beim Gedanken ans Einpacken rollten sich mir die Fußnägel hoch, denn wenn ich eins nicht leiden kann, dann ist es das Einpacken des Tackles am Ende einer Tour und wenn dieses dann auch noch nass ist, sodass ich es daheim wieder zum Trocknen aufstellen muss dann frag ich mich jedes Mal warum ich mir das eigentlich antue. Umso glücklicher blicke ich einige Zeit später auf mein vollbeladenes Auto. Ich schließe die Kofferraumklappe, setze mich in die Karre und starte den Motor.

In diesem Moment erleuchtet an der Anzeige auch die Uhr. Ich zögere einen Moment, muss grinsen und mache mich auf den Weg nach Hause.

Gruß