Big Bait – Big Cat – Big trouble!?

Es ist sicherlich kein Geheimnis, dass in Spanien teilweise sehr große Exemplare verschiedener Fischarten als Köder verwendet werden. Karpfen von 10 Kilo und Zander über der 60-Zentimeter-Klasse sind keine Seltenheit. Und es funktioniert. Die Welse in den Stauseen und Flusssystemen Spaniens erreichen mittlerweile monströse Ausmaße. Von Jahr zu Jahr fallen die Rekorde, Zentimeter um Zentimeter, Kilo um Kilo. Klar, dass da auch die potentielle Beute der Giganten größer wird. Wenn man mal bedenkt, auf welche Brassen man teilweise 1,20-Fische hakt, ist es kein Wunder, dass ein knapper 2+-Wels auch mal ’nen 20-Pfünder attackiert. Aus rein anglerischer, erfolgsbezogener Sicht ist es also absolut nachvollziehbar, dem frisch gefangenen XL-Schuppi oder Stachelritter einen oder mehrere Drillinge anzulegen.

Hinzu kommt noch die Tatsache,

dass die Situation, was die Köderfischversorgung angeht, gerade in Spanien sehr speziell ist. Feederfischen, wie wir es aus anderen Ländern zur Köfibeschaffung einsetzen, fällt hier nahezu komplett flach. Zum einen durch die zahlreichen Hindernisse, die gerade im unteren Stau in Form von Totholz sehr stark ausgeprägt sind, zum anderen durch die Tatsache, dass gerade, was Karpfen angeht, kein wirklich nennenswerter Bestand an Exemplaren in »Standartgröße« vorhanden ist. Die Karpfen, die beim Boiliefischen erbeutet werden, sind dann, genau wie die auf Gummifisch gezockten Zander, gern gesehene Gäste im Köderfischkessel und da es funktioniert, eine scheinbar perfekte Lösung.

Bis zu diesem Punkt,

habe ich bewusst die Emotion aus meinem Text raus gehalten und nur die Situation geschildert. Denn genau in dieser Zeile, wo ich damit beginne den emotionalen, ja man könnte schon fast sagen, ethischen Aspekt in meinen Monolog einfließen zu lassen, scheiden sich die Geister. Für Viele ist es offensichtlich ein Schock zu lesen, dass man Fische der 10-Kilo-Marke noch als Köder verwendet. Doch ich frage mich, warum? Natürlich ist es ein Unterschied, ob der Köder, den ich ausbringe, 25 Zentimeter misst oder 25 Pfund wiegt. Allein die Prozedur beim Anködern ist sicherlich jedes Mal aufs Neue eine Herausforderung. Aber die Wertigkeit, die ein Köderfisch von 25 Zentimetern besitzt ist doch die gleiche, wie die eines 25-Pfünders. Oder etwa nicht? Ist ein großer Fisch mehr Wert als ein kleiner, und sollte er deshalb nicht als Köder verwendet werden? Und wenn ja, warum? Nur weil er schon länger das jeweilige Gewässer bewohnt? OK, das ist ein Argument, das sicherlich an einigen, gerade kleineren Gewässern mit kleinen Beständen zieht und auch nachvollziehbar ist. Aber an einem Gewässer mit einem Bestand an Zandern oder Karpfen mittlerer Größe, wie ihn der Ebro aufweisen kann, ist das, für meine Begriffe, nicht schlimmer, als wenn ich mir an Po oder Saone eine große Brasse dran hänge, die dort ebenfalls in großen Massen vorkommen.

Ihr merkt, ich bringe noch andere Länder ins Spiel, und auch das tue ich bewusst. Es ist mir wichtig zu betonen, dass ich hier keineswegs eine »Spanien-Diskussion« lostreten möchte. Der Ebro und die dort herrschenden Umstände boten sich als Beispiel an. Jedoch findet die »Großköderangelei « auch in Frankreich und Italien, wenn auch in abgeschwächter Form, statt. Und noch etwas ist in allen aufgezählten Ländern gleich. Wir sind überall Ausländer und stehen deshalb von vorne herein unter ganz besonderer Beobachtung. Dieser Punkt bringt natürlich zusätzliche Würze in unsere Thematik. Gerade in Ländern wie Spanien und Frankreich, wo der Zander DAS Heiligtum der einheimischen Petri-Jünger ist, machen wir uns besonders »beliebt«, wenn wir regelmäßig große, mit Drillingen bestückte Zander versenken und uns dabei von den Einheimischen am besten noch beobachten lassen. Man stelle sich den alten Spanier vor, der seit Tagesanbruch regungslos auf seinem alten Kahn verharrt. Zwischen den Nebelschwaden in der Morgendämmerung hat er seine Köder für den geliebten Stachler ausgebracht und seitdem vergebens auf einen Biss gewartet. Er weiß, dass er heute wahrscheinlich wieder ohne Fang nach Hause gehen wird, aber er kommt damit zurecht. Beim Einpacken beobachtet er dann zwei enthusiastische, augenscheinlich ausländische Angler, die mit dem Boot am gegenüberliegenden Ufer Montagen auslegen.

Eine Montage nach der anderen verschwindet in der Tiefe.

An jeder Montage ein Zander. Genau der Zander, für den der alte Spanier seit dem Morgen hier verweilte…umsonst. Die Gründe, warum er nichts gefangen hat seien mal dahin gestellt, aber die Gedanken, die in diesem Augenblick in seinem Kopf umhergeistern, dürften wohl jedem klar sein. Das Ganze lässt sich natürlich auch auf die XXL-Karpfen oder andere Großköder übertragen. Was ich damit zum Ausdruck bringen möchte ist, dass wir ohnehin einen schweren Stand im Ausland haben und wir diesen mit den beschriebenen Aktionen nicht gerade aufbessern. In den Augen der Einheimischen sind es »ihre« Fische, die wir da, sagen wir mal, »verarbeiten«, und je krasser und extremer dies getan wird, desto krasser und extremer wird auch deren Reaktion darauf sein.

Für mich persönlich ist es schwierig,

ein abschließendes Resümee und einen klaren Standpunkt zu der beschriebenen Thematik zu finden. Ich denke, für mich und mein Gewissen ist es die optimale Lösung, eine Mischung aus beidem zu finden. Natürlich hänge ich mir einen großen Köder dran, wenn es sein muss und die Situation nichts anderes zulässt, bzw. dann, wenn ich merke, dass die Welse sehr beißfreudig auf diese Art von Köder reagieren.

Aber, und das ist der Punkt, ich achte darauf, wo ich das tue. Sitze ich, wie beschrieben in Spanien, wo Millionen von Karpfen der entsprechenden Größe durch die schier unendlichen Wassermassen ziehen, mache ich mir keinen Kopf, denn der Schaden, den ich dem Bestand und dem Gewässer damit antue, ist sehr gering.

Sitze ich hingegen am Vereinstümpel,

ist es völlig hirnrissig ein derartiges Manöver vorzunehmen und den wohlmöglich einzigen 20-Pfünder des Gewässers aufzuhängen, in der Hoffnung, hier jetzt die Ur-Mama der Silure zu haken. Und! Und das ist ebenfalls ein wichtiger Punkt, wenn ich es tue, achte ich darauf, wie und ob ich es anderen mitteile, und dass wegen mir kein alter Spanier mit Bauchschmerzen nach Hause fahren muss.