Kaltstart … von Johannes Martin

In den letzten Wochen …

war es mir nur selten vergönnt den Weg ans Wasser zu finden. Lernen war angesagt, denn Mitte Januar stand die Abschlussprüfung meiner Ausbildung an. So kam es dann, dass ich samstags öfters mal Zahlen aus Diagrammen entnehmen und in diversen Formeln verrechnen musste, anstatt Temperaturen vom Echolot abzulesen und danach meine Taktik auszurichten.

Oft stand ich in dieser Zeit am Ende eines Lerntages sehnsüchtig am Flussufer, um die Zahlen im Kopf mit einer guten Portion frischer Luft zu ordnen und mich für das nächste Kapitel zu rehabilitieren. „Nicht mehr lange…“, redete ich mir immer wieder zu, während ich die Blicke über den oftmals Hochwasser führenden Fluss schweifen ließ… „bald geht’s wieder los…“

Es mag jetzt wohl ein wenig übertrieben und vielleicht sogar ein wenig verrückt klingen, aber irgendwie gaben mir diese Aufenthalte am Wasser ein ganz besonderes Gefühl. Wie eine Art Motivation optimistisch nach vorne zu blicken, was mir ein ums andere Mal den nötigen Schub gab, um mich wieder mit Ehrgeiz den Zahlen zu widmen.

3 Wochen später…

„So, da ihr ja nun alle eure Abschlusszeugnisse habt, wollen wir nun zum gemütlichen Teil des Tages übergehen. Wir haben in der Cafeteria Sekt bereitgestellt und wer möchte kann dort noch auf den Abschluss eurer Ausbildung anstoßen“, ließ der Schulleiter verlauten. Das war mein Stichwort! Rucksack aufn Buckel und nix wie zum Parkplatz. Dort stand mein Auto vollbepackt und wartete darauf mich endlich wieder ans Wasser bringen zu dürfen. Der erste Ansitz des Jahres stand an und er sollte, wie sollte es im Januar auch anders sein, unter frostigen Bedingungen stattfinden.

Carsten, mit dem ich für dieses Wochenende verabredet war …

war bereits donnerstags aufgebrochen. Im Vorfeld, bei der Planung der Tour hatten wir uns auf einen entspannten, ruhigen Auftakt des Angeljahres 2011 eingestellt. Klar arbeitet man bei so einem Trip immer zielstrebig auf einen Fisch hin, jedoch wussten wir unsere Chancen bei 4 Grad Wassertemperatur sehr realistisch einzuschätzen. Doch gerade dann, wenn die Bedingungen alles andere als fischträchtig aussehen, sollte man sich noch mehr bemühen nichts dem Zufall zu überlassen. Wenn schon alles gegen uns spielt, sollte wenigstens der Teil, den wir beeinflussen können 110% stimmen, um eine minimale Erfolgschance aufrecht zu erhalten. Das fängt bei der Platzwahl an und hört bei der Wahl des richtigen Köderfisches auf.

Der Platz war eine überdurchschnittlich tiefe Stelle …

die wir als Ruheplatz der Welse vermuteten. Um die dort ruhenden Fische nicht zu verschrecken, versenkten wir keinen unsrer Köder direkt im Gumpen, sondern verminten gezielt die Kanten und Abbrüche, die die (hoffentlich) irgendwann aktiv werdenden Silure passieren würden. Die Montagen selbst, wurden im Vergleich zum Rest des Jahres nicht wesentlich verändert. Köder waren einmal mehr Rotaugen.

Rotaugen haben sich gerade in der kälteren Jahreszeit als echte Joker entpuppt. Sie sind robust, selbst bei eiskaltem Wasser sehr quirlig und stechen andere Fischarten wie Karpfen oder Schleien, die zur wärmeren Jahreszeit Topköder sind, im Winter aus. Nachdem ich am Wasser angekommen war und wir unseren Teil zum erfolgreichen Kaltstart wie beschrieben beigetragen hatten, sollte eigentlich der relaxte Teil der Session beginnen … eigentlich.

Plötzlich wurde Carstens Köfi ohne Ankündigung …

in den Abgrund gerissen und die Rutenspitze folgte diesem Zug. Nach dem Anhieb erfolgte ein Balanceakt auf der glatten und wackeligen Steinschüttung, die keine gute Basis für einen Drill bot. Der Fisch nutzte die Strömung für sich, doch Carsten wusste die Fluchten routiniert zu kontern. Einige Augenblicke später zog ich Carstens „Numero Uno“ für 2011 auf die Plane.

„Das gibt’s nicht!“ „Wie geht das denn!?“ „Geeeeeeiiiil!!!“, ich weiß nicht mehr was wir in diesem Moment alles von uns gegeben haben, aber die Freude war riesig!

Kling – wir schauen beide auf meine …

ca. 30m abseits stehende Rute, die von einer auf die andere Sekunde kerzengerade im Halter stand. Carsten übernahm sofort seinen Fisch ich sprintete zur Rute und hoffte dass der Wels den Köder noch nicht wieder ausgespuckt hatte. Rute aus’ m Halter, einige schnelle Kurbelumdrehungen, Kontakt-Feuer! HÄNGT!!! JAWOLL!! HÄNGT!!! Als auch dieser zähe Kämpfer den Landgang antritt versuchen wir einzuordnen was hier eigentlich gerade passiert!?

Scheinbar hatten wir tatsächlich einen Ruheplatz der Welse gefunden. Dass die Fische ruhen wurde durch einige Blutegel im Kopfbereich der Silure bestätigt. Vor allem die Augen und die Bartelwurzeln waren von diesen Schmarotzern besiedelt. Dies kommt nur dann so verstärkt vor, wenn die Fische ein eher passives Verhalten an den Tag legen, sodass die Parasiten in aller Ruhe über sie herfallen können.

Mittlerweile hat der Mond mit der Sonne …

getauscht und die Temperaturen sind in den Keller gesackt. Trotzdem lassen wir es uns nicht nehmen noch eine Weile vorm Zelt zu sitzen und diese Januarnacht noch ein wenig zu genießen. Frische, kalte, klare Luft. Boot, Zelt, Ruten und Bissanzeiger werden nach und nach vom Reif überzogen und schimmern im hellen Mondlicht.

Die Flamme des Kochers kämpft entschlossen gegen diese Bedingungen und schafft es letztendlich eine dicke Portion „Chili Con Carne“ auf Temperatur zu bringen. Der heiße Teller wärmt die klammen Finger und das Chili kurbelt die Körpertemperatur von innen an.

Und dann kam das Phänomen, das jeder von euch kennt …

Man glotzt mit müden Augen auf ein spärlich glühendes Knicklicht in der Hoffnung irgendwann eine Bewegung zu vernehmen, die einem Biss nahe kommt. Wenn man nun lange genug so dasitzt und fest genug daran glaubt, beginnt es irgendwann nach vorne zu wippen. Das Einschalten der Kopflampe bringt dann die Ernüchterung und holt uns auf den Boden der Tatsachen zurück. Doch diesmal war das allerdings anders …

Im Schein der Kopflampe sackte meine New Age immer weiter nach vorne. „Noch ein kleines Stück“, denke ich, während die Zeitlupenverbeugung vor mir abläuft. Ich treffe den richtigen Moment und spüre die Gegenwehr eines halbstarken Gegners.
Kurz nach dem kleinen Silure verschwanden auch wir bald in Richtung unseres Ruheplatzes.

Die Nacht war lang und kalt …

Eine Zeltheizung wäre in diesem Moment echter Luxus gewesen, aber Luxus ist beim Angeln ja bekanntlich meistens ein Fremdwort. Der Morgen erwartete uns mit einem genialen Sonnenaufgang. Aber außer gut auszusehen hatte er dann doch nicht so viel drauf. Es blieb den ganzen Tag kalt. Am Abend waren die Fallen bereits früh neu gestellt. Einige Montagen brachten wir, orientiert am Beißverhalten des vergangenen Tages, an anderen Plätzen aus. Trotzdem blieb unser Optimismus relativ gering, denn wir spürten, dass es gerade gegen Abend noch kälter geworden war als tags zuvor.

Unser Gefühl bestätigte sich …

und die Rotaugen blieben unberührt. Gut für sie, schlecht für uns. Aber so ist es eben, des‘ einen Freud ist des anderen Leid. Obwohl Leid der falsche Ausdruck ist.

Die Tour war gigantisch gelaufen und wenn ich jetzt, zwei Tage danach so drüber nachdenke merke ich, dass ich es mir immer noch nicht so recht erklären kann, wieso es so kam wie es kam.

Ist aber auch gut so, denn so bleibt es ein weiteres Rätsel über das man grübeln kann und das den Wels einmal mehr zu dieser undurchschaubaren Kreatur macht.

Bis die Tage …