Magische Sommernächte … von Johannes Martin

Sommer, Sonne, Silurus glanis …

Mit diesem Motto starteten Andy und ich, heiß wie Pumapisse, ins Wochenende. Verabredet war ein gemeinsames Fischen mit Bodo und Leon, die allerdings erst gegen Abend am Wasser aufschlagen konnten. Also übernahmen Andy und ich die Platzwahl, errichteten das Lager und bereiteten alles vor.

Es wurde später und später, aber kein Lebenszeichen der beiden Anderen. Je weiter sich die Sonne in Richtung Horizont vorarbeitete, desto „hibbelicher“ wurden wir beide und beschlossen deshalb unsere Ruten bereits rauszubringen.

Nachdem die Fallen gestellt waren, hieß es erst einmal zurücklehnen und entspannen. Die Sonne verschwand langsam hinter den Baumkronen und die Schatten wurden immer länger. Die Aktivität auf dem Wasser nahm stetig zu, die Mücken begannen über uns herzufallen und es lag eine gewisse Anspannung in der Luft, was würde dieser Abend bringen?

Genau in diese Phase platzte dann die unverwechselbare Stimme von Serj Tankian, der wie wild aus den Lautsprechern meines Handys schrie und mir mittels „Chop Suey“ mitteilte, dass Bodo und Leon wohl doch noch den Weg zum Wasser gefunden hatten. Da wir für dieses Wochenende nur ein Boot zur Verfügung hatten, hieß es nun zurück zum Auto, Tackle laden und schnellstmöglich wieder zurück.

Ich hätte mir in den Arsch beißen können jetzt von hier weg zu müssen …

vertraute Andy da aber voll und ganz, er würde das schon machen! Mit einem unbeschreiblichen und sehr seltsamen Gefühl ließ ich die Ruten und meinen Freund allein, um eine gute halbe Stunde später mit vollbepackten Boot und den beiden Nachkömmlingen zurückzukehren. Leider waren die Montagen noch alle an Ort und Stelle und Andy konnte nur von einigen hektischen Aktionen der Köderfische berichten.

Wir begannen also damit das Schlauchi auszuladen, als völlig unangekündigt eine meiner Ruten wegklatschte. Leon setzte einen beherzten Anhieb, während ich versuchte den Tackleberg des halb ausgeräumten Bootes zu überwinden. Geistesgegenwärtig brachte er mir den unter Spannung stehenden Stecken ans Boot, sodass ich die Verfolgung aufnehmen konnte. Der Fisch bot mir einen schönen Kampf mit zahlreichen Fluchten unters Boot, doch am Ende musste er sich geschlagen geben. Der erste Fisch der Tour lag im Boot, geil!

Das „Stillhalten“ vor der Kamera absolvierte der Gute bravourös …

und so konnten wir ihn rasch wieder in seine gewohnte Umgebung entlassen, um im Anschluss das restliche Zeugs aus dem Boot zu laden und die Köder von Bodo und Leon in Position zu bringen. Danach gönnten wir unseren Mägen eine Dose Sättigungsmittel von „Erasco“ und obendrauf einen wohltemperierten Gerstensaft als Tagesabschluss. Bodo bekam von Petrus noch einen ganz besonderen Nachtisch serviert und so konnte auch er noch einmal seine Drillkünste unter Beweis stellen.

Lange genossen wir diese windstille Sommernacht fernab allen Trubels …

Die entspannte Atmosphäre wurde mit dem lautstarken Gezirpe der Heuschrecken unterlegt, die scheinbar versuchten das Gequake der Frösche zu übertrumpfen. Ab und an brachten die Karauschen die Glocken leicht zum Vibrieren und unterbrachen so die hypnotische Wirkung der mit Knicklichtern versehenen Rutenspitzen. Niemand redete etwas, denn jeder konnte es spüren, dieses ungreifbare, undefinierbare Gefühl und wollte soviel es ging davon aufsaugen. Nach und nach schaltete so jeder auf „Standbymodus“ und versank im Land der Träume.

Plötzlich donnerte eine der Glocken los als gäb‘ s kein Morgen mehr! Die Silhouette von Bodos Rute verneigte sich ehrfürchtig vor dem, was da am anderen Ende der Schnur kämpfte. „Bodo, Feuer!!!“, glitt es mir im Halbschlaf über die Lippen und mit genau diesem Feuer versenkte Bodo den Haken im Maul seines Gegenübers. Schlaftrunken machte ich das Boot bereit und sah dabei in meinem Augenwinkel , dass Bodo die ersten kraftvollen Fluchten des Fisches nur mit vollem Körpereinsatz abfangen konnte.

Sekunden später befanden wir uns auf dem Wasser …

und folgten dem unaufhörlich stromab ziehenden Waller. Nach 200-300 Metern schafften wir es dann uns über den Fisch zu ziehen. Dieser tobte wutentbrannt unter dem Boot und lies die Rolle einige Male gequält aufheulen. Die Minuten verstrichen und der Fisch war nicht kleinzubekommen. Passend zu den beängstigenden Tönen der Rolle begann es nun auch noch wie aus Kübeln zu schütten. Die eiskalten Regentropfen, die uns dabei ins Genick fielen und das Adrenalin in unseren Adern schafften einen perfekten „Gänsehautrahmen“ für die Endphase dieses Hammerdrills.

Endlich machte sich Bodos Einsatz bemerkbar und der Fisch zeigte sich das erste Mal an der vom Regen aufgepeitschten Oberfläche im Schein unserer Kopflampen. Ein richtig guter Fisch mit urigem Kopf schob sich langsam in unsere Richtung. Ohja da war sie endlich, die Gänsehaut, die die ganze Zeit in der Luft lag…jetzt hieß es Nerven behalten! Den Klaps auf den Kopf beantwortete der Silure mit einer letzten entkräfteten Flucht und ergab sich dann in schein Schicksal. Ich umfasste den Kiefer des Fisches und wuchtete ihn ins Boot. „YYYYYIIIIIIIIIIIIIIAAAAAAAAAAA!!“, schrien wir unsere Freude in die dunkle Nacht. Wir umarmten einander, klatschten uns ab und wussten gar nicht wohin mit unserem Glück. Vor uns lag ein richtig guter Fisch, mit geilem Schädel und einer richtig fetten Wampe!

Das Maßband brachte dann die Gewissheit …

Der Fisch kratzte die 2 Meter Marke, und war somit neuer persönlicher Gewässerrekord für uns! Was für ein Erfolg!!! Erneut beglückwünschten wir uns und machten uns auf den Weg zurück zum Angelplatz, wo Andy und Leon bereits gespannt warteten. Die Schreie aus der Dunkelheit ließen sie bisher nur erahnen, was sie jetzt zu Gesicht bekamen. Sie bestaunten den Fisch , mit weit aufgerissenen Augen, da sie bis zu diesem Tag nur Welse unter einem Meter Länge live gesehen hatten und nun lag dieses Kraftpaket vor ihnen. Ob sie mir beim Versorgen des Fisches helfen wollten, brauchte ich da gar nicht mehr fragen.

Das fällige Wallerbier schmeckte doppelt so gut als sonst …

und nachdem die Montage erneut gezogen war, fielen wir „hundskaputt“ auf unsere Liegen. Am nächsten Morgen wurden nach einem ordentlichen Frühstück erstmal Fotos geschossen, Köderfische gefeedert und der Plan für die kommende Nacht besprochen.

Auffällig war, dass in der vergangenen Nacht alle Fische …

auf Köder gefangen wurden, die im Flachwasser abgelegt waren. Dort schienen sich die Welse an den zahlreichen Weißfische zu laben, die Schutz zwischen Krautfahnen und –feldern suchten. Wir beschlossen also den Platz zu wechseln, um die angrenzende Flachwasserzone besser befischen zu können. Bis zum Abend hatten wir unser Camp neu errichtet und unsere Haken, bestückt mit frischen Köderfischen, zwischen den Krautfeldern versenkt, sodass wir mit einem guten Gefühl der Dämmerung entgegenblickten.

Was mir dabei auffiel, war die Unruhe bei Leon und Andy, denen man die Hummeln im Arsch Kilometer gegen den Wind anmerkte. Ich gönnte den Beiden ihren Fisch wirklich von Herzen und hatte ihre Steine deshalb exakt auf der Kante vom flachen zum tiefen Wasser abgelegt. Serviert wurde eine XL-Brasse und ein schöner Döbel und das direkt an der „Schwelle zum Glück“ da musste doch was gehen!?

„PENG!!!“, riss es Leons Rute mit voller Kraft nach vorne und mich aus meinen Gedanken. Leon stellte sich mit allem was er hatte dagegen, was bei 1,64m Körpergröße und 54kg Kampfgewicht allerdings nicht allzuviel ist. Sofort ging‘ s wieder in die Nussschale , damit der Fisch die Schnur nicht an der Kante hätte aufscheuern können. Der Tanz begann.

„Soll ich die Bremse aufmachen?“, keuchte der „Kurze“ …

als wir uns dem wild kämpfenden Fisch langsam näherten mit aufgeregter Stimme. Ich lächelte ihm ein verschmitztes „Das siehst du dann…“ entgegen. Seine verwirrte Gegenfrage „Wie, das siehst du ja dann!?!?!“ beantwortete diesmal der Waller, der mit einer Vollgasflucht einige Meter Schnur von der geschlossenen Okuma knirschte und meinen Freund fast aus dem Boot riss. Im letzten Moment bekam ich diesen noch am Gürtel zu greifen und verhinderte so den unausweichlichen Auerbach. Ein schadenfrohes Lachen konnte ich mir aber dennoch nicht verkneifen, hatten wir ihn doch erst beim Frühstück vor seinen Nutella-Broten gewarnt und auf Schinken und Käse verwiesen. So konnte er den Fisch ja nicht packen!

Aber wer nicht hören will, muss fühlen …

Diese Meinung schien der Wels wohl mit mir zu teilen und schlug ständig mit allem was er hatte in die Schnur, zog einige Meter Schnur und schoss im flachen, schnellen Wasser hin und her. Mit einer weiteren entschlossenen Flucht schaffte er es dann sich in einer der Krautbänke festzusetzen. Über die Rute war da nichts mehr zu holen, also war Handarbeit gefragt. Dabei versuchte ich den Fisch an der Schnur aus dem Salat zu befreien. Ich glitt also mit beiden Armen, bis knapp vor die Schultern in der Gemüsebrühe steckend, an der Schnur nach unten. Ich weiß nicht wer von uns beiden mehr erschrocken ist in dem Moment als ich die U-Pose zu greifen bekam, jedenfalls explodierte in diesem Moment das Kraut unter mir und der Fisch schoss zurück ins Freiwasser.

Doch scheinbar war dieses Festsetzen eine letzte Verzweiflungstat, denn so langsam schienen die Kräfte bei unserem schleimigen Freund zu schwinden. Dies schien auch Leon zu merken, verschnaufte deshalb kurz und setzte dann zur letzten Attacke an. Der Waller war nun kurz unter der Oberfläche und als er schließlich auftauchte, wurde bei Leon selbst die letzte Körperzelle mit Adrenalin vollgepumpt, denn es war klar dass dieser Fisch seine bisherige Bestmarke von 74cm um Längen überschritten hatte. Wir buchsierten den Genossen über die Bordwand, umarmten uns und bejubelten diesen hart umkämpften Fang!

Beim Lösen der Haken wurde dann auch klar …

woher der Waller diese enorme Kampfkraft nahm. Scheinbar waren die beiden Haken nach dem Anhieb ausgeschlitzt und hatten in der Flanke des Bartelträgers gegriffen. Diese Tatsache brachte dem Kampf eine ganz andere Würze und meinem Freund seinen bisherigen „Drill des Lebens“, wie er es überglücklich immer wieder wiederholte.

Auch Andy und Bodo beglückwünschten ihn herzlich zu seiner Leistung, wenn auch der ein oder andere Spruch über seine akrobatischen Einlagen mit dabei war. Das obligatorische Wallerbier wurde natürlich mit Genuss inhaliert, um uns danach wieder unter unsere Decken zu verkriechen.

Jetzt fehlte bloß noch der Fisch für Andy, um das ganze perfekt zu machen …

„Es gibt Nächte da geht nichts, was man auch versucht und es gibt Nächte da läuft alles, als wäre es vorprogrammiert“. So oder so ähnlich waren wohl meine Gedanken, als ich keine zwei Stunden später Andy sah, wir er seine Rute aus dem Halter zerrte und dem Döbel-Killer die Stirn bot. Nach kurzem aber heftigen Schlagabtausch rutschte ein wohlgenährter und wunderschön schwarz gefärbter Fisch auf die Matte und machte die Geschichte perfekt. Jetzt hatte auch Andy seinen Waller in den Armen und strahlte mit seinem Headlight um wie Wette.

Ich hätte nie gedacht, dass es einen Zeitpunkt gäbe …

an dem ich auf ein Wallerbier verzichten würde, doch diesmal blieb der Stoff bei allem Wohlwollen in der Flasche. Auch meine Akkus gingen langsam gegen Null und so gab es nur noch ein Ziel und das hieß „Liege“. Pünktlich zum Morgengrauen klingelte der Wachdienst und zog die Spitze meiner New Age langsam gen Wasseroberfläche. Als auch dieser Fisch seinen unfreiwilligen Landgang beendet hatte und wieder zwischen die Krautfahnen verschwand, versuchte ich wenigstens noch ne Stunde Schlaf zu bekommen.

Doch irgendwie fand ich die Tür zum Traumland nicht mehr …

und so hatte ich Zeit noch einmal über die Geschehnisse der beiden Nächte nachzudenken: Es war wirklich alles gelaufen als hätte es ein Drehbuch dafür gegeben. Die Fische saugten die Köder genauso ein wie sie „sollten“ und jedem war es vergönnt einen der Silure zu bändigen.

Alles funktionierte, egal was wir versuchten. Dazu diese Rahmenbedingungen, die uns die Natur während dieser ganzen Erlebnisse zur Schau stellte. Solche Momente, in denen wirklich alles stimmt, findet man wirklich nur sehr selten und wenn, dann werden sie meist zu unvergesslichen Ereignissen, an die man sich noch lange und gerne zurückerinnert. Während ich so in Gedanken schweife bemerke ich, wie sich die ersten Sonnenstrahlen ihren Weg durchs Dickicht bahnen.

Die Heuschrecken stellen ihr Lied ein, die Knicklichter verschmelzen langsam mit dem Hintergrund und verlieren ihre magische Anziehungskraft. Die Vögel übernehmen nach und nach den Part der Heuschrecken, läuten einen neuen Tag ein und beenden somit die Magie, die Magie der magischen Sommernächte …

Gruß