Der Sommer am Fluss
Im Halbschlaf höre ich ein Summen, das schnell lauter wird und sich in kürzester Zeit in mein Hirn hämmert. Kurz darauf spüre ich einen leichten Schmerz auf meiner Wange und nun bin ich wach, es ist eindeutig Zeit zum Aufstehen, die Moskitos sind da. Im ersten Licht des Tages bringe ich, fast wie gezwungen aber trotzdem wie auf Autopilot, meine Bialetti Kanne zum Schreien und kurz darauf fließt das warme, schwarze Gold in meine Kaffeetasse. Sobald das geschehen ist, stecke ich im Kopflampenlicht, fast hektisch, zwei Maden auf den kleinen Haken der Feederrute, fülle den Futterkorb und schmeiße ihn dicht neben das Boot ins Wasser. Es bleibt mir nicht viel Zeit, um den Köderfischvorrat des Tages zu füllen, denn sobald die Sonne am Himmel steht, wird es viel zu heiß und das Feedern sehr zäh. Also Beeilung und Konzentration, denn davon hängt die Entspannung des kommenden Tages und der Fangerfolg der folgenden Nacht ab. Bootsfischen im Sommer am großen Fluss hat seine eigenen Gesetze und so wiederholt sich dieses Szenarium jeden Morgen. Bevor ich jetzt fortfahre, noch ein paar Gedanken zu den letzten Monaten …
Dinge ändern sich
Unser Leben ist ständig in Bewegung und nichts bleibt, wie es ist. Diese Tatsache gilt für die schönen aber zum Glück auch für die schlechten Dinge und so blicke ich persönlich auf sehr abwechslungsreiche aber auch sehr turbulente Jahre zurück. Keine Sorge, ich möchte hier keine Abhandlung meiner Memoiren zum Besten geben aber ich möchte die kleine Geschichte in einen etwas größeren Gesamtzusammenhang einbetten, denn das ist mir in diesem, speziellen Fall wichtig.
Mein Weg
Ich habe mich vor einigen Jahren für den Weg des Walleranglers entschieden und ich habe unzählige Stunden an den Gewässern Europas verbracht, immer auf der Suche nach dem ultimativen Abenteuer und natürlich auch nach DEM EINEN FISCH, der bisher nur in meinen Träumen existiert. Viele zollen mir für diesen kompromisslosen Weg Respekt und Anerkennung und ich werde oft um die Zeit beneidet, die ich beim Fischen sein kann aber auch bei mir hat der Tag nur 24 Stunden und die Jahre sind genauso lang oder kurz, wie bei allen anderen. Ich will damit sagen, wer viel am Wasser ist, wird unweigerlich weniger Zeit für andere Dinge haben, darunter leiden Freundschaften und das Privatleben und das ist meine Realität, für die ich mich ganz bewusst entschieden habe.
Ich musste liefern
In den letzten Jahren war es nicht nur die reine Angelzeit, sondern auch die verschiedenen Tätigkeiten, wie z.B. für das Magazin Cats Illustrated und zuletzt das Scheitern des Onlineportals Catzilla, was mein Zeitfenster und mein Leben sehr strapaziert haben. Nach Catzilla war mir bewusst, dass ich mich nicht weiter für ein Projekt aufreiben werde, das mir unweigerlich das nimmt, was mich Jahre lang angetrieben hat, die Lust am Fischen und meine Passion, was beides unter dem ganzen Druck der Medienarbeit immer mehr in den Hintergrund gerückt war. Obwohl ich das nie wollte, musste auch ich irgendwie abliefern. Videos, Fotos, und durch die Berichtkorrekturen und das Einpflegen von Material für die verschiedenen Autoren, war ich dann sogar in der Pflicht, für andere abzuliefern. Die Sessions, bei denen ich NUR zum Fischen am Wasser war, mit der Qualität keine Verpflichtungen zu haben und keinen Druck zu spüren, wurden immer seltener und zum Schluss gab es sie eigentlich nicht mehr.
Die Passion brennt nun heller als zuvor
Zum Glück habe ich die Reißleine zum richtigen Zeitpunkt voll durchgezogen und jetzt, ein halbes Jahr später, bin ich zum einen sehr froh darüber, dass ich loslassen konnte und zum anderen bin ich denen Menschen sehr dankbar, die mich in dieser Entscheidung bestärkt und unterstützt haben! Ich merke, dass meine Passion nicht zerstört wurde, ganz im Gegenteil, sie lebt und heute weiß ich sie noch viel mehr zu schätzen, als in den ganzen Jahren davor. Bildlich gesprochen wurde das Feuer durch das Auflegen von falschem Brennholz zum Qualmen gebracht und es bestand die Gefahr, dass es erlischt. Jetzt brennt die Flamme wieder klar und hell, denn sie bekommt die richtige Nahrung …
Mein neues Leben
Ich bin nun endlich wieder in ruhigeres Fahrwasser gekommen und das trifft sowohl auf mein Fischen aber auch auf mein Privatleben zu. Eine glückliche Beziehung, die mir jeden Tag das Gefühl gibt, geliebt zu sein und die Gewissheit, am Wasser wieder alle Freiheiten zu haben, geben mir gerade viel Ruhe, was ich so in meinem Leben zuvor nie kennengelernt hatte. Die Zusammenarbeit mit Bullseyefishing und das Projekt der NAZGUL Ruten stellen da eher eine Bereicherung dar, als einen Stressfaktor, denn die Ruten sind mir eine Herzenzangelegenheit und ich habe alle Freiheiten, muss mich dabei weder als Mensch noch als Angler verändern oder gar verkaufen.
Der Sommer am Fluss
Im Halbschlaf höre ich ein Summen, das schnell lauter wird und sich in kürzester Zeit in mein Hirn hämmert. Kurz darauf spüre ich einen leichten Schmerz auf meiner Wange … diese Zeilen kennt ihr ja schon und deshalb springe ich etwas weiter. Seit einigen Jahren ermöglicht es mir mein Beruf als Lehrer im Sommer 5 Wochen am Stück fischen zu gehen und auch in diesem Jahr nahm ich dieses strapaziöse und immer sehr lehrreiche Abenteuer an. Die Tage verbringe ich im Schatten am Ufer oder, wenn der Wind es zulässt, beim Vertikalfischen auf dem Fluss. In den Nächten fische ich vom verankerten Boot und mittlerweile kenne ich das Revier ganz gut. Durch die Erfahrungen der letzten Jahre, ist es mir möglich relativ zielgerichtet zu fischen und dabei auch bewusst an den Kleinen vorbeizuangeln, ganz nach dem Motto „Klasse statt Masse“.
Rahmenbedingungen
5 Wochen Dauerfischen sind eine lange Zeit und es würde ein Buch füllen, wenn ich euch hier alle Einzelheiten und Erlebnisse schildere. Was mich selbst immer am meisten fasziniert, ist die Erkenntnis, dass sich das Fischverhalten fast täglich ändert, was einem nicht bewusst wird, wenn man nur ein oder zwei Nächte hat und somit nur für kurze Zeit am Wasser ist. Man sollte meinen, dass sich im Sommer auch in 5 Wochen nicht viel verändert und man somit konstant mit der gleichen Taktik zum Ziel kommt. Leider oder besser gesagt, zum Glück ist dem nicht so, denn ich will immer dazulernen und es wäre zu einfach, schon fast langweilig, wenn es immer gleich funktionieren würde. Mond, Wassertemperatur, Sauerstoffgehalt, Strömung und Wind sind nur die wesentlichen Faktoren, die das Fischverhalten beeinflussen und mit denen wir uns täglich konfrontiert sehen. Daraus die richtige Taktik abzuleiten und entsprechend zu angeln, entscheidet über Erfolg und Misserfolg.
Freiwasserfischen
Der große Waller ist oft ein Freiwasserfisch, dort ruht und zieht er und besonders im Sommer frisst er auch dort. Somit ist zu dieser Zeit die Uposenfischerei meine erste Wahl. Je größer die Wasserfläche, desto schwieriger ist es auch, die Montage punktgenau dort zu platzieren, wo sie hin muss. Gewässerkenntnis, Erfahrung und Location sind dafür unerlässlich und das kostet viel Zeit. Es sind oft die kleinen Kanten Mitten im Fluss, die Bisse bringen, steile Kanten und deutliche Unterschiede im Boden sehen immer gut aus, bringen aber keinen Fisch.
Die Woche mit Markus
Was gibt es Besseres für die Entwicklung von Angelruten als 5 Wochen Dauerfischen in einem Großfischrevier!? Für die Feinabstimmung war dann Markus, der Chef von Bullseyefishing, eine Woche mein Gast und so konnten wir zusammen genau die Feinheiten und Details erarbeiten, die uns von Anfang an wichtig waren. Natürlich musste es so sein, dass genau diese Woche die schwierigste Phase während meines ganzen Aufenthalts war. Seit Tagen kein Wind und die Wassertemperatur machte einen deutlichen Sprung von 4 Grad nach oben. 27 C° ist sportlich und macht das Fischen zu einer ganz besonderen Herausforderung.
In den Wochen zuvor hatten die Fische immer in den Morgenstunden ein kleines Aktivitätsfenster und so kamen regelmäßig am Vormittag Bisse, oftmals von richtig guten Fischen. Große, agile Köderfische waren dabei die erste Wahl.
Von großen Erwartungen und der Realität
Mit großen Erwartungen, genährt durch meine Berichterstattung aus den Wochen zuvor, kam der hochmotivierte und nassgeschwitzte Markus an meinem kleinen Lager am Flussufer an. Nach kurzer Lagebesprechung und ein paar Instagram Storys wollten wir die neuen Samples der NAZGUL so schnell wie möglich aufs Wasser und zum Fischkontakt bringen. Ich wählte einen Flussbereich, wo ich in den Tagen zuvor einige, gute Fische gefunden hatte. Die exakten Punkte waren alle auf dem Echolot gespeichert und auch nach der kurzen Kontrolle, bevor wir das Boot verankerten, wussten wir, dass sie da sind. Wir befischten somit einen regelrechten Hotspot und die Euphorie war bei Markus natürlich riesig, bei mir, durch die Erfahrungen der letzten Jahre, etwas realistischer. Die Ruten waren schnell gesetzt und so gingen wir in die Nacht.
Bei jeder Wintersession wünscht man sich nichts mehr, als Sonne und im Sommer lernt man sie zu hassen. Sie brennt erbarmungslos und das gefühlt, fast den ganzen Tag. Es ist jeden Abend aufs Neue wie eine Erlösung, wenn sie endlich verschwindet und wenn das grelle, scharfe Licht nachlässt. Die Moskitos, die man im Tausch dafür bekommt, sind zwar auch keine tolle Erfindung aber im Laufe der Zeit gewöhnt man sich daran. Markus befand sich bei dieser Gewöhnungsphase noch in einem Anfangsstadium und so kamen schnell, ziemlich harsche Beschwerden, was das denn überhaupt solle, mit den „Scheißfliegen“. Es wurde aber mit jedem Tag besser!
Die Ernüchterung am Morgen
Die Moskitos sind ein sehr zuverlässiger Wecker und so kann es niemals passieren, dass man zu lange schläft. Am nächsten Morgen durfte ich meinem Kollegen beim Feedern zuschauen und das war für mich wirklich eine willkommene Abwechslung, ein richtig toller Morgen, ganz entspannt, ohne Feederfutter an den Händen, einfach nur Sitzen und zusehen. Anglerisch kam es so, wie ich es vermutet hatte, die Ruten blieben still und es war nichts passiert.
„Willst du mir nicht beim Köderfischfangen helfen?“, fragte Markus. Nein, ich hatte noch etwas zu erledigen. Viele Fische kamen in den Tagen davor am Morgen und ich wusste, dass sie da sind. Die Köder lagen einfach nur zu weit von den ruhenden Fischen entfernt und so setzte ich alle Montagen nochmal neu, einfach nur ein paar Meter versetzt zu dem Platz vom Vorabend. Hört sich jetzt für viele von euch vielleicht komisch an aber es macht bei passiven Fischen durchaus Sinn. Den Angler kostet das nur ein paar Minuten, danach weiß man, dass die Köder noch fit sind und man sitzt wieder mit einem richtig guten Gefühl hinter den Ruten.
Auch Markus schaute zunächst etwas verwirrt, zeigte sich aber nach meiner kurzen Erklärung dazu sehr verständnisvoll. Das Köderfischfangen hatte er alleine übrigens bestens im Griff, was im Sommer auch nicht immer selbstverständlich ist.
Das Geräusch mit Suchtpotential
Ich hatte gerade einen weiteren Kaffee aufgesetzt und wir waren in ein Gespräch vertieft, als plötzlich die AVET Rolle unfreiwillig aber deutlich hörbar zur Schnurfreigabe gezwungen wurde. Die 260er NAZGUL verneigte sich ehrfürchtig im Rutenhalter und der Fisch am anderen Ende der Schnur kannte nur ein Gas … VOLLGAS! Schnell ins Schlauchboot und mit Kamera bewaffnet fuhren wir dem flüchtenden Fisch hinterher. Er bewegte sich sehr bestimmt aber keineswegs hektisch. Auch nach dem Biss zu urteilen musste es ein Guter sein.
Langsam bekamen wir immer mehr Schnur auf die Rolle und wir waren beide sehr gespannt, wie groß er ist. Er zog noch einmal Schnur von der Rolle und dann hing die Schnur am Grund fest. Der Absenkstein war wohl zu dicht an einem Hindernis. Wir bekamen die Schnur zwar frei aber diese, kleine Komplikation führte dazu, dass der Fisch falschen Druck bekam und der Haken ausschlitzte. AB!!! Kurz war es ganz still im Boot, dann ein lauter Schrei, verbal voll unter der Gürtellinie und kurz darauf bemerkte ich, dass der Schrei aus meinem Mund gekommen war. Als dann Markus verbal ähnlich entgleiste, wusste ich, der Mann ist Herzblutangler und das war eine wichtige Erkenntnis für die kommenden Tage.
Taktikänderung
Das Erlebnis war unbefriedigend, denn wer verliert schon gerne einen guten Fisch!? Es brachte aber die wichtige Erkenntnis, dass es wirklich wichtig war, punktgenau den Fisch anzulegen und da einem das nicht immer exakt gelingt, schlug ich Markus eine Art des Angelns vor, die ich in der Vergangenheit immer dann gemacht hatte, wenn die Bedingungen ähnlich waren. Um die Chance auf einen Fisch zu erhöhen, war nun der Plan, in einer Nacht mehrere Fische anzufischen, die wir tagsüber beim Aktivangeln markiert hatten.
Kopfangeln
Der Ablauf ist ganz einfach. Wir bereiteten zwei Montagen mit Stein und Köderfisch vor und sobald wir den Fisch auf dem Echolot sahen, ließen wir die erste Montage ab. Die zweite Rute wurde dann etwas versetzt, flussauf gelegt, diese war eine reine Jokerrute. Anschließend verankerten wir das Boot einige Meter oberhalb der Köder, damit es schnell ging, mit nur einem Buganker. Eine große Meeräsche hatten wir einem guten Fisch direkt vor die Luke gelegt und nun hieß es warten. Diese Art der Fischerei bedeutet zwar wenig Schlaf aber der Adrenalinpegel ist dabei permanent im roten Bereich. Bei jedem Klingeln der Rute schlägt einem das Herz bis ins Gehirn. Erstmal eine Mischung trinken und entspannen war nun angesagt.
Plötzlich gab es einen Schlag in die Rute, die Glocke schrie kurz auf und die Rutenspitze neigte sich ein Stück nach vorne, wo sie dann auch stehen blieb … Stille, nix passierte mehr und wir beide glaubten an einen Fehlbiss. „Der hat den Stein leicht verzogen“, sagte ich zu Markus, „hoffentlich ist die Äsche noch dran!“ Kurz drauf bemerkte ich, dass Markus seiner Müdigkeit nachgegeben hatte und ein konstantes Röcheln kam von links neben mir. Auch mir fiel es schwer, wach zu bleiben und irgendwann sind mir dann wohl auch die Augen zugefallen. Auf einmal wieder ein Klingeln, war es die Meeräsche? Nein, die Rute wurde noch ein Stück weiter vorgezogen und erneut blieb sie einfach stehen.
Ich lasse mich doch nicht verarschen!
„Aufstehen Markus, da ist ein Fisch dran!“ Mein Gefühl sagte mir, dass der Fisch hängt aber das war natürlich aufgrund der Geschehnisse eine sehr wage Vermutung, vielleicht auch eher ein Wunschdenken. Egal, als Markus nicht wachzubekommen war, ging ich alleine aufs Schlauchboot und verschwand in der Nacht. Ich war schnell über der Montage und jetzt war ich sehr gespannt. Anheben und abwarten, was passiert. Es passierte wieder nichts aber es fühlte sich schwer an, nur leider ohne Zug oder Anzeichen von einem Fisch. Nach ein paar Sekunden kam mir das komisch vor, ich nahm die Schnur kurz in die Hand und riss sie nach oben. Der Stein war noch dran, jetzt hatte ich die Reißleine geknallt und nun wusste ich mehr.
Kontakt
Nun kam langsam Leben in die Schnur und es fühlte sich tatsächlich gut an. Die 3 Meter Nazgul lag auf dem Schlauch und wurde konstant nach unten gezogen. Fisch on! Etwas ungläubig nahm ich den Kampf an und ich war verwundert, wie ruhig und kraftvoll der Fisch ging, der es nicht mal geschafft hatte, den Stein zu reißen. Egal, nun war er dran und es machte richtig Spaß. Der Drill dauerte nicht sehr lange aber es war ein guter Gegner und als er im Boot lag staunte ich nicht schlecht. Ein deutlicher 2+, eher ein 2++, makellos und breit im Saum.
Für den Fisch
Für den Fisch ist es bei diesen warmen Temperaturen auch in der Nacht am besten, wenn wir ihn direkt wieder schwimmen lassen. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben das ganz deutlich gemacht und so war uns auch in diesem Fall die Fischgesundheit wichtiger, als die Fotosession am Morgen. Nach der kurzen Begutachtung durch Markus und ein paar schnellen Fotos, durfte er wieder schwimmen und weiter schlafen.
Der Mistral verändert alles
Genauso, wie die Moskitos und der Geschmack von Salz auf der Zunge, gehört der Mistral Wind immer zum Fischen im Süden von Frankreich dazu. Wer ihn kennt, hat großen Respekt vor ihm und ich persönlich habe mittlerweile gelernt, ihn zu lieben. Von einer auf die andere Minute ist er plötzlich da, so als hätte jemand den ON Schalter betätigt.
Gnadenlos peitscht er das Wasser auf und die Luft fühlt sich auch im Sommer richtig frisch an. Wer meint, dass der Wind am Abend nachlässt, der täuscht sich, erbarmungslos und mit scharfen Böen macht er uns auch in der Nacht das Fischen zu einer echten Herausforderung. An guten Schlaf ist in solchen Nächten nicht zu denken. Das Schlauchboot knallt immer wieder gegen die Flanke des Mext Bootes und die Geräuschkulisse passt zu jedem Blockbuster.
Besonders im Sommer und nach zahlreichen, windstillen Tagen bringt der Mistral aber Leben ins Wasser. Er trägt Sauerstoff ein, wühlt die Flachwassergebiete auf und die Wassertemperatur in den oberen Wasserschichten kühlt deutlich ab. Wer jetzt die Bedingungen erkennt und seine Taktik verändert, wird zum Fisch kommen. Ein Blick auf das Echolot machte das auch bei dieser Tour deutlich. Sobald Wellen auf dem Wasser sind und der Mistral sein Unwesen treibt, sieht man viele Fische im Mittelwasser, deutlich abgehoben vom Grund. Sie schwimmen dem Sauerstoff entgegen. Markus war sehr beeindruckt von diesem Phänomen und so fischten wir in den kommenden Tagen völlig anders, als in den Tagen der exakten Standplatzfischerei.
Weg vom Grund
Wenn der Wind die Fische aufscheucht, war es in der Vergangenheit immer so, dass wir nur dann Bisse bekommen, wenn wir unsere Köder ins Mittelwasser anheben. Überlange Vorfächer, schwere Uposen und kleine, quirlige Köderfische. Das war nun unser Plan für die nächsten Tage, und er sollte aufgehen. Für diese Fischerei nehme ich sehr gerne zwei kleine Weißfische am Kombi – Rig und so hatte sich während der Tour wieder einmal das Köderspektrum von ganz groß zu ganz klein geändert.
Der Teufel liegt im Detail
Gespannt legten wir am ersten Windabend die Ruten und als wir gerade dabei waren, über die Ringaufteilung der Nazgul Ruten zu diskutieren, hörten wir ein leichtes Klingeln und kurz drauf zuckte eine der Nazguls kurz nach vorne. „War das ein Biss?“ fragte Markus ungläubig und obwohl ich das eigentlich nicht wahrhaben wollte, wusste ich, dass mindestens einer der zwei Fischlein schon weg war. Ein paar Stunden später wiederholte sich das gleiche Spiel und dann war Ruhe. Die Gewissheit, dass man wieder raus muss, um die Ruten zu kontrollieren, obwohl man darauf absolut keine Lust hat, fühlt sich an, wie wenn man nachts pinkeln muss. Man zögert es hinaus, bis es nicht mehr anders geht und man weiß genau, dass es sein muss. Sich in die Hose zu pinkeln und eine Nacht mit nem Scheißgefühl hinter den Ruten zu sitzen sind zwar von der Sache her etwas völlig verschiedenes aber trotzdem irgendwie sehr ähnlich.
Der innere Schweinehund
Wenn man so lange Zeit am Stück fischt, liegt die Kunst schon ein wenig darin, nicht den Biss und die Motivation zu verlieren. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, damit hätte ich kein Problem. Mit jedem Tag in der auszehrenden Sonne nun auch noch ergänzt durch eine „leichte“ Brise, fiel es mir schwerer und der Kampf gegen den inneren Schweinehund war jeden Tag sehr präsent. Ich weiß aber auch, dass es oftmals der Sieg gegen diesen Höllenhund ist, der uns in schwierigen Phasen zum Sieger macht und so stieg ich einmal mehr in tiefer Nacht ins Schlauchboot und kontrollierte die Montage. Bewaffnet mit zwei kleinen Güstern und einem neuen Stein fuhr ich im trüben Licht der Kopflampe hinaus auf den Fluss.
Zufälle, die uns weiter bringen
Schnell war die Montage angehoben und mein kleines Erfolgserlebnis hatte ich, als ich den Stein von dem 10 Meter tiefen Grund abheben konnte, ohne ihn zu verlieren. Das spart Steine und Zeit. Schnell waren die frischen Köder an den Einzelhaken montiert und kurz darauf starteten sie ihre letzte Reise in Richtung Gewässergrund. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Aus dem Augenwinkel hatte ich gesehen, dass sich das Vorfach in der Hauptschnur verhängt hatte … also wieder anheben und nochmal kontrollieren.
Als ich die Montage erneut oben hatte, war die Schnur zwar nicht verfangen aber eine der Güstern war weg. „Jetzt sollen sie mich alle am Arsch lecken“ dachte ich und ich entschloss, die verbliebene Güster alleine wieder runter zu lassen. Diese war am zweiten Haken fluchtgeködert und der untere Haken hing frei unter dem Fisch.
Jetzt einfach nur schlafen
Zurück auf dem großen Boot, bemerkte ich, dass Markus eingeschlafen war. So unrecht war mir das ehrlich gesagt auch nicht und so kroch ich auch zurück in meinen Schlafsack. Ich glaube, es hat keine 5 Minuten gedauert, bis auch ich hinüber ins Land der Träume gewechselt war. Trotz Sturm schlief ich erstaunlich gut und die Moskitos hassen Wind, deshalb kann man an den Mistral Morgen auch länger schlafen, weil der Wecker schlicht weg versagt. Ob die Ruten noch Aktion hatten, wusste ich beim Aufwachen nicht. Viel zu stark war der Wind und viel zu fest der Schlaf.
Ein Bimmler am Morgen
Irgendwann, als es längst hell war, schlug ich die Augen auf und natürlich galt, wie immer, auch diesmal, der erste Blick den Rutenspitzen. Das schaute alles noch ganz ordentlich aus. Beide Ruten hatten Spannung und es schien keine abgerissen zu sein. Ich blickte auf den, noch immer, wild aufgepeitschten Fluss und meine Gedanken verloren sich in belanglosen Dingen. Das konstante Schnarchen von Markus sorgte dafür, dass ich nicht noch mal wegschlummerte. Der Bimmler, der dann in Bruchteilen von Sekunden meine Gedanken gestochen scharf und mich hell wach machte, war kurz aber sehr heftig. Ohne dass etwas passierte sprang ich auf und ich eilte, für mich ungewohnt hektisch, zu den Ruten im Heck vom Boot. Gerade dort angekommen verneigte sich die kurze Nazgul langsam und dann hörte ich die Musik, die jeden Wallerangler zum Tanz auffordert. Satt und konstant wurde die Schnur von der Avet gezogen. „Aufstehen Markus, das ist er!“ Zum Glück war meine Ansage so deutlich, dass Markus kurz drauf, ausgerüstet mit der Kamera, neben mir im Boot saß.
Der Tanz auf der Rasierklinge
Wortlos und mit der Angst, dass wir diesen Fisch erneut verlieren könnten, fuhren wir hinter ihm her. Das trifft in diesem Fall auch mehr als zu, denn während der ganzen Zeit, in der wir auf ihn zu hielten, nahm er langsam aber ohne Pause Schnur. Mir wurde schnell klar, was er vorhatte. Er schwamm direkt Richtung linkes Ufer, das gepflastert ist, mit Holz und Hindernissen am Grund.
Der Fisch wollte einfach nur dahin zurück, von wo er gekommen war. Ich beschleunigte den Motor und fuhr bei schlaffer Schnur einen Bogen flussab und in Richtig Flussmitte, weg von den Hindernissen. Ich wusste, dass es schief gehen kann aber es war wie so oft, als der Fisch keinen Druck mehr spürte, verlangsamte er seine Flucht. Als ich wieder Kontakt zu ihm hatte, legte ich den Rückwärtsgang ein und versuchte ihn vom Ufer wegzuziehen. Sekunden, die einem wie Stunden vorkommen und plötzlich waren der Wind und die Wellen auf dem Fluss zur Nebensache geworden, obwohl wir jetzt mit dem Boot direkt in der Windschneise waren und die volle Breitseite abbekamen.
NAZGUL REBORN
Ich habe mein Material schon oft bis an die Belastungsgrenze und manchmal sicher auch darüber hinaus gebracht. Das geht, wenn man seine Ruten kennt und wenn man genau weiß, was man mit ihnen machen kann. An diesem Morgen wurde das 3er Sample der Nazgul260 so hart gef … , dass ich nach dem Drill sprachlos darüber war, dass der Stock das mitgemacht hatte.
Der kapitale Fisch tat alles dafür, uns einen richtigen Materialtest im Endbereich zu bescheren. Immer wieder zog er Richtung Holz und immer wieder hielt ich dagegen. Die Rute lag irgendwann einfach nur noch auf dem Schlauch vom Zeepter und ich hielt sie einfach nur fest. Irgendwann folgte der Wels meinem Zug und er kam langsam mit uns, Richtung Flussmitte. Hatte ich Minuten davor nicht an einen Erfolg geglaubt, kamen plötzlich Gedanken in meinen Kopf, dass alles gut gehen könnte. Der Haken schien sicher zu hängen und der Fisch zeigte Schwäche. Irgendwann lag der massige Silure dann im Boot und als ich den Haken in seinem Maulwinkel sah, der frei unter der einzelnen Güster gebaumelt hatte, musste ich lachen, laut lachen und dann laut schreien vor Freude. Das ganze Adrenalin musste raus und weil davon einiges angestaut war, fiel der Schrei in diesem Fall besonders laut und lange aus.
Aus der Not eine Tugend
Ein Kombi – Rig als Single – Rig gefischt, war der Schlüssel zum Erfolg und brachte uns in den kommenden Windtagen weitere, gute Fische und was das Beste daran war, keine Fehlbisse mehr. Die Welse waren durch den Wind zwar aktiv aber so richtig fressen wollten sie trotzdem nicht. Bei dieser Montage reichte ein einfaches Ansaugen und egal, wie schnell der Köder wieder ausgeblasen wurde, der freie Haken griff sicher. Plötzlich war es wieder einmal eine Montage, die bei mir schon fast in Vergessenheit geraten war und die sicher an anderer Stelle von bekannten und berühmten Welsanglern erfunden wurde :-) !
Der mystische Abschied vom Fluss
Als Markus abgereist war, blieben mir noch ein paar Tage am Fluss und die verbrachte ich mit meinem guten, französischen Freund. Ich liebe die Abende mit ihm auf dem Boot. Gutes Essen, Wein und Gespräche, die es so mit anderen Menschen nicht gibt, einfach einzigartig. Der letzte Abend bei einer so langen Tour ist immer etwas ganz Besonderes. Eine Mischung aus Wehmut, weil man nach Hause fährt, der Respekt vor der langen Fahrt und natürlich auch die Freude auf die Heimat gepaart mit den ganzen Erlebnissen der letzten Wochen, die man natürlich noch immer im Kopf hat. Wir waren an diesem Abend etwas spät dran, weil wir am Nachmittag noch das Lager abgebaut hatten.
Plötzlich war es wie im Winter
Es war ein windstiller und sonniger Abend mit Temperaturen Mitte 30 C°. Als wir das Boot beluden, trauten wir plötzlich unseren Augen nicht. Innerhalb von wenigen Minuten hatte sich der Himmel verdunkelt und dichter Nebel zog auf. Eine Erklärung hatten wir dafür nicht aber ich deutete diese, mystische Stimmung als Einladung vom Wassergott und sah in ihr die perfekte Stimmung für die letzte Nacht auf dem Fluss. Der Nebel wurde immer dichter und die Navigation auf dem großen Fluss war eine Meisteraufgabe. Zum Glück wusste ich genau, wo ich hin wollte, denn ich hatte meinem Freund schon am Morgen gesagt, dass wir in der letzte Nacht einen Fisch besuchen, den ich schon oft auf dem Echolot gesehen, ihn aber noch nie zum Biss gebracht hatte. Wir waren uns beide schnell einig, dass dieser Abend mit der Wetteränderung die perfekte Gelegenheit war, ihn zu bekommen.
Blindflug
Ich steuerte das Boot dicht am Ufer entlang, denn dadurch konnte ich mich wenigstens so einigermaßen orientieren. Meter für Meter kämpften wir uns durch die Suppe und ich zählte die Kilometerschilder, die immer wieder aus dem Dunkeln auftauchten. Endlich hatten wir den Bereich gefunden, wo ich hin wollte. Die Anker saßen beim ersten Versuch fest und so mussten nur noch schnell die Ruten raus. Mittlerweile war es dunkel geworden. Auch Angeln ist Routine und wer viel übt, ist irgendwann einfach schnell ohne dabei weniger präzise zu sein. Fasziniert schaute mein Kumpel mir zu und die erste Rute sollte eine Jokerrute, weit flussab, sein. Ich setzte sie direkt hinter die Kante auf 8 Meter.
Der König erwies uns die Ehre
Nun sollte die zweite Rute genau dahin, wo ich den Big One schon öfter gesehen hatte. Bei einer Flussbreite von fast einem Kilometer, Nebel und Dunkelheit war das schon eine besondere Herausforderung. Ich war mir selbst nicht sicher, ob ich ihn finde und natürlich auch nicht, ob er überhaupt da sein würde. Das ließ ich mir aber gegenüber meines Freundes nicht anmerken. Ich tat ganz cool und sicher. Irgendwann tauchte der Schiffahrtspoller aus dem Nebel auf, den ich gesucht hatte, jetzt nur noch auf das Echolot schauen und die Winkelkante finden. Hier bricht der Fluss von einer Längs- und Querkante deutlich ab und genau dort, wo diese beiden Kanten sich treffen, musste die Rute hin. Ich verlangsamte das Boot, kurz nochmal korrigieren und dann ließ ich die Montage ab, ohne den Fisch zu sehen. Die nasse Schnur glitt mir durch die Finger und das Lot zeigte eine deutliche Linie, die sich Richtung Grund bewegte. Der Stein schlug satt auf dem harten Grund auf. Ich schaute kurz zur Rutenspitze, dass sich die Schnur nicht verhängt hatte und plötzlich hörte ich meinen Freund aufschreien. Il est la (da ist er!) Eine fette Sichel tauchte wie aus dem Nichts auf, direkt da, wo Sekunden davor meine Montage ihr Nachtlager fand. Ich hatte ihm das Ding wohl direkt auf den Kopf gelegt und ihn geweckt. Sprachlos und mit weichen Knien fuhren wir zurück zum Hauptboot und schnell stellte ich die Bremse ein und anschließend die Rute in den Rutenhalter. Das Echo sah noch massiver aus, als sonst und ich weiß nicht wie groß dieser Fisch ist, vielleicht ist es ja der aus meinen Träumen, den ich noch nie zu Gesicht bekommen habe.
Biss!!!
Auch der schönste Abend ist irgendwann vorbei und so legten wir uns irgendwann nach Mitternacht in unsere Schlafsäcke. Keine Ahnung wie lange wir geschlafen hatten aber die Glocke weckte uns zuverlässig und natürlich blickten wir beide direkt auf die Rute, die wir dem Dicken vors Maul gelegt hatten. Die stand regungslos im Ständer und erst als es erneut klingelte und die Bremse aufschrie, realisierten wir, dass es die Jokerrute war. Kurz und knapp, es war ein mittlerer Fisch, der uns den Schlaf raubte und er sollte der letzte der Tour sein, denn die andere Rute ging nicht mehr krumm. Am nächsten Morgen, beim Einholen der Montage, sah ich, dass sich der Köderfisch verwickelt hatte. Keine Ahnung, wann das passiert war und genauso wenig werde ich erfahren, ob er gebissen hätte, wenn das nicht passiert wäre. Ich weiß wo er wohnt und ich bin trotzdem sehr froh darüber, dass uns der König des Flusses an meinem letzten Abend die Ehre auf seine ganz besondere Art erwiesen hatte.
Au revoir, Monsieur Specialiste, das waren die letzten Worte meines Freundes, bevor die Autotür in ihr Schloss fiel, à la prochaine fois, mon ami, rief ich ihm durch das runtergelassene Fenster zurück und dann ging es auf die lange Fahrt nach Hause mit all den Erlebnissen und Abenteuern im Kopf, wegen denen ich gekommen war. Der Fluss hatte es mir wieder einmal nicht einfach gemacht. Sieg und Niederlage wechselten sich ab aber ich habe mich der Herausforderung gestellt, habe es durchgezogen, viel dazu gelernt was das Wichtigste ist, ich habe meine Passion jeden Tag in voller Intensität gespürt.
DANKE GROßER FLUSS!!!