Von 0 auf 100 …
Geht es beim Fischen „nur“ darum, in möglichst kurzer Zeit möglichst viele große Fische zu fangen?
Hannes und Sven schildern in dieser Kolumne aus der CATS illustrated # Ausgabe 1 ihre persönliche Sicht auf die Dinge. Dabei nehmen sie Bezug auf ihren eigenen, anglerischen Werdegang und sie zeigen, dass es manchmal gut sein kann, wenn man sich Zeit lässt. In der heutigen Zeit ist in vielen Bereichen eine langsame und stetige Entwicklung oftmals nicht möglich. Jeder möchte der Erste oder der Beste sein. Insbesondere im Beruf wird man nicht immer vor die Wahl gestellt und dabei bleibt sehr viel am Wegesrand unbemerkt liegen, was unbedingt beachtenswert gewesen wäre. In unserem Hobby können wir einen Gang zurückschalten, wir können abbiegen, wo wir abbiegen möchten und auch ein Stehenbleiben oder ein Richtungswechsel sind immer möglich …
Das Wallerangeln boomt …
Immer mehr fischvernarrte Verrückte nehmen den mysteriösen Bartelträger ins Visier und versuchen ihren ganz persönlichen Traumfisch auf die Matte zu legen. Ähnlich ist es auch mir ergangen und so widme ich, die mir zu Verfügung stehende Freizeit seit einigen Jahren fast ausschließlich den Siluren. Dieser Fisch war für mich schon immer ein Mythos.
Umschlungen von den abenteuerlichsten Erzählungen vieler älterer Angler, die ich seit meiner frühesten Kindheit kennenlernen durfte schien er DAS geheimnisvolle Ungeheuer unserer Flüsse und Seen zu sein. Hatte ich diese Fische früher als nahezu „ungangbar“ abgestempelt, bereitet es mir heute große Freude die „Schwarzen Männer“ zu beangeln und die dabei entstehenden Emotionen aufzusaugen wie ein Schwamm.
Sicher fragt ihr euch, was diese Zeilen in einer Kolumne wie dieser zu suchen haben.
Ich schildere meine Situation deshalb so genau, weil ich gerade in jüngerer Vergangenheit erfahren musste, dass nicht jeder dem Wels aus besagten Gründen nachstellt, sondern vielmehr deshalb, um damit vor Verwandten, Freunden und im Netz prahlen zu können.
Diese „Angler“ steigen beeindruckt von den Bildern und Filmen in den Medien in dieses für sie vorher unbekannte Hobby ein und wollen auf „Teufel-komm-raus“ Rekordfische fangen. Nur die Größten und Dicksten sollen es sein, natürlich mindestens 150 Zentimeter lang und wenn nicht, dann wenigstens gelb oder weiß. Einen Bezug zum Fisch und der Sache selbst, nämlich dem Angeln, haben diese Jungs nicht. Können sie aber auch nicht, da sie mit dem Zielfisch Wels von 0 auf 100 gestartet sind, ohne auch nur im Geringsten daran zu denken worauf es neben der richtigen Pose auf dem Foto noch ankommt.
Es geht ihnen nicht darum mit einer gestellten Falle einen urtümlichen Fisch zu fangen …
sondern nur noch darum was das Maßband anzeigt. Obwohl auch kleinere Fische eine Bestätigung der Bemühungen sind, wird’s für die besagten „Hunter“ erst ab 1,90m aufwärts interessant.
Krass und schade zugleich wie ich finde.
Generell denke ich, dass es natürlich nie zu spät ist in ein Hobby einzusteigen, auch nicht beim Angeln. Nur bin ich der Meinung, dass man, als unerfahrener Newby erstmal bei den Grundlagen anfangen sollte, um sich später am Wasser überhaupt helfen zu können. Was nutzt mir die teuerste Waller-Rute, wenn ich es nicht schaffe eine Brasse zu feedern oder einen Döbel unterm Busch rauszuzocken?
Außerdem denke ich, dass auf diesem Weg, die, ich nenne sie mal natürliche Wertigkeit von Fängen, viel eher in Fleisch und Blut übergeht.
Was ich damit sagen will ist, dass der Waller für mich schon immer DER Endgegner warm der beim Ausüben egal welcher Angelart seit meinen Kindertagen immer in meinem Hinterkopf umhergeisterte. Und ich glaube, dass sich diese Wertschätzung für diese Fischart erst dann so ausprägen kann, wenn man die typische Entwicklung mit der steten Steigerung von den Lauben über die Brassen und Rotaugen, Zander und Hechte, Karpfen und Schleien bis hin zum Silure durchlebt hat. Jeder Fisch ist dann eine Besonderheit. Klar, ist mir ein 1,90+ auch lieber als ein 1,13m und ich würde lügen wenn ich das Gegenteil behaupten würde. Trotzdem weiß ich aber auch die weniger spektakulären Fänge richtig einzuordnen und freue mich darüber. Und genau das ist das, was manchem Neueinsteiger fehlt und ich finde diesen Zustand schade, denn sie werden die Passion „Silure“ nie so lieben und leben können wie jemand, der den typischen Werdegang durchlebt hat.
Natürlich kann letztendlich jeder selbst entscheiden was er tut und vor allem wie und warum.
Und das Letzte was ich mit diesen Zeilen erreichen möchte ist als Oberlehrer rüberzukommen. Ich möchte denen, die sich jetzt vielleicht angesprochen fühlen einfach den Rat geben, ihre Einstellung zu überdenken und ihr Tun gegebenenfalls zu ändern, um so ihr Hobby genauso auskosten zu können wie die Angler, die es schon immer waren…
Think about, it‘s your choice…
Ich kann den Ausführungen von Hannes in vielen Punkten zustimmen und dem ist eigentlich nicht mehr viel hinzu zufügen.
Das Welsfischen ist in aller Munde und nie zuvor schien es so leicht zu sein einen Giganten zu fangen. Die Medien sind voll von tollen Fangbildern und eine Rekordmeldung wird sehr schnell durch eine noch größere „Bombe“ egalisiert. Das überwinden der 2Metermarke wird als normal wahrgenommen und das ist wie ich finde, sehr schade. Nie zuvor fischten so viele Leute auf Wels und erstaunlicher Weise zählen zu den Welsfischern auch immer mehr Angelanfänger. Das finde ich sehr verwunderlich und ich möchte euch kurz erklären warum.
Mein anglerischer Werdegang begann als kleiner Junge an meinem Hausgewässer mit dem Stippen auf Rotaugen und ich habe in vielen Jahren Angelpraxis die unterschiedlichen Methoden kennengelernt und durfe dadurch viele, verschiedene Fischarten überlisten.
Diese langsame Entwicklung …
das Überdenken des Handelns und das ständige Setzen von neuen Zielen haben mir aus meiner heutigen Sicht heraus sehr viel gebracht und ich bin mir sicher, dass darin zu großen Anteilen meine recht erfolgreiche Wallerjagd begründet liegt. Ich fühle mich in der Lage mich den unterschiedlichsten Gegebenheiten am Wasser anzupassen und schaffe es meine anglerischen Schlüsse richtig zu ziehen. Ein einfaches Wort gibt das Gesagte perfekt wieder. ERFAHRUNG ist das Zauberwort die man immer dann in die Wagschale werfen kann, wenn es schwierig wird.
Es ist sicher kein Zufall …
dass für mich das gezielte Welsfischen erst als späte Station meines bisherigen Angellebens begonnen hat. In meiner Jugend waren Informationen über den Urian fast nicht vorhanden und die Bestände in den heimischen Gewässern waren nicht annähernd so prall wie heute. Es gab eine Hand voll Spezialisten, die ihre Welse aber auch damals schon in erster Linie in den bekannten Großfischgewässern des Südens fingen. Der Wels war ein Mysterium mit vielen Schauergeschichten und sein Fang war damals für mich so weit weg wie ein Lottogewinn.
Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie sich dann mein erster gefangener Silure Anfang der 90er Jahre aus meinem Hausgewässer anfühlte. Der Fisch kam wie aus dem Nichts beim Spinnfischn auf Hecht und der Drill des 168m langen Prachkerls dauerte eine halbe Ewigkeit. Bei der Landung half mir Petri denn an einen Wallergriff war nicht zu denken. Als der Fisch in Ufernähe war, schmiss ich meine Spinnrute ins Gras und holte mir den Fisch mit einem „Catchergriff“.
Es war unkonventionell aber es war mir völlig egal …
und es ging gut. Ich kann mich auch heute noch sehr gut an das Gefühl nach dem Fang erinnern. Ich fühlte mich wie der König der Welt und rief noch am gleichen Tag alle Leute an, die mir einfielen, um denen von meinem Fang zu erzählen. In den folgenden Nächten war an Schlaf nicht zu denken und das Feuer der Wallerjagt war entfacht und es brennt immer noch groß und hell.
Jetzt stelle ich mir gerade vor, wie es gewesen wäre, wenn ich ganz zu Beginn meiner Passion einen Rekordwels gefangen hätte …
So wie der 15 jährige Junge, der vor ein paar Jahren einen 250er Rekordfisch am Po gefangen hat. Quasi von Null auf Hundert. Würde ich dann heute mit 40 Jahren immer noch auf Wels fischen? Sicher nicht! Es wäre nämlich sehr schwer sich danach neue Ziele zu setzen und ob man will oder nicht wäre die Wertschätzung von kleineren Fischen geringer. Das liegt meiner Meinung nach in der menschlichen Natur begründet, denn wir streben immer nach dem Unbekannten und Unerreichten. Das ist ganz normal und dafür müssen wir uns auch nicht schämen. Und die Luft nach einem 250 wird eben sehr dünn. Ich bin froh, dass sich die Größe meiner Welsfänge über die Jahre langsam gesteigert hat und es ist gut, dass es dabei auch Stagnation und Rückschritte gab.
Ich bin der Meinung, dass sich insbesondere die jungen Fischer Zeit lassen sollten …
Es ist aus meiner Sicht der Sache nicht förderlich, sich bereits in jungen Jahren einer spezialisierten Angelart zu widmen. Das gilt nicht nur für das Welsfischen, sondern genauso für das Fliegenfischen, Karpfenfischen etc. Es ist wichtig zunächst eine breite, angelrische Basis zu legen und einen vielfältigen Erfahrungsschatz zu bilden. Dadurch schafft man sich eine komfortable Ausgangssituation und kann sich danach mit Erfolg einer spezialisierten Angelrichtung widmen. Dadurch lernt man neben den anglerischen Fertigkeiten eben auch persönliche Erfolge richtig auszukosten und vor allem auch richtig einzuordnen.