Gedanken zum Anleinen

Gedanken zum Anleinen

Es gibt wohl nur wenige Themen, die in den Reihen der Welsangler einen derartigen Meinungskontrast hervorrufen, wie die Frage nach dem Anleinen gefangener Fische. Während das Stringern mittels Wallerseil von einem Teil der Angler als Möglichkeit genutzt wird, um die Fische nach dem Fang wieder zu Kräften kommen zu lassen und sie für eine anstehende Fotosession zu hältern, echauffieren sich andere Teile der „Siluristen“ über derartige Praktiken und stellen sogar die gesunde Grundeinstellung derer in Frage, bei denen nach einer erfolgreichen Nacht ein Seil ins Wasser führt…

Gerne genannte Argumente der Seil-Gegner sind …

die unnötig langen Stressphasen, die man den Welsen beim Hältern am Seil beschert und die physischen Schäden, die die Welse durch den Prozess davontragen. Unterlegt wird das Ganze meist mit dem Vorwurf, die beschuldigten Personengruppen würden dies aus reiner „Fotogeilheit“ tun.

Unrecht haben die Jungs mit ihren Vorwürfen sicherlich nicht. Natürlich werden die Stressphasen verlängert, da der Fisch, wenn er denn die Wahl hätte, nach dem Drill wohl viel lieber irgendwo im Totholz oder in seinem Gumpen verweilen würde, als im Uferbereich darauf zu warten, abgelichtet zu werden.  Ich denke dies muss man sich einfach eingestehen.

Ebenso ist es durchaus keine Unmöglichkeit, dass der Fisch durch Fehler beim Anleinprozess Verletzungen davon tragen kann. Seile minderer Qualität, oder Materialien, die überhaupt nicht für das Hältern eines Welses geeignet sind, aber dennoch verwendet werden, sind mögliche Ursachen.

Des Weiteren kann das Anlegen der Leine zum Problem werden. Jemand, der vorher noch nie einen Wels auf der Matte hatte und nun vor dem Problem steht, das Seil befestigen zu müssen, kann schnell mal in die Bredouille geraten: “Durch den Kiemendeckel rein und durchs Maul raus, so steht’s im Internet.“ Soweit ist das ja für den Anfang nicht schlecht, doch wenn sich dann der Kiemendeckel öffnet und die mit Kiemenlamellen durchzogenen Kiemenbögen zum Vorschein kommen, kann man als Anfänger mit Sicherheit kurzzeitig unsicher werden, wo es da jetzt genau lang geht. Fehler sind vorprogrammiert, auch wenn sie überhaupt nicht mit böser Absicht geschehen. Dennoch muss der Wels die Unwissenheit mit der Beeinträchtigung seiner Gesundheit bezahlen. Wieder ein Punkt, der gegen ein Stringern unserer Fänge spricht. Ist der Silure dann angeleint, und wieder zurück im feuchten Nass, ist die Gefahr noch nicht vollends gebannt. Die Bereiche in denen wir die Welse abliegen lassen, müssen im Vorfeld überprüft werden.

Ist die Strömung zu stark, schafft der gebartelte Kollege es meistens nicht, sich abzulegen und über einen längeren Zeitraum ruhig zu verharren. Die Erholung, die er nach dem Drill nötig hätte fällt komplett aus und wird durch zwanghaftes Manövrieren im Strömungsdruck ersetzt. Totale Erschöpfung oder Schlimmeres sind die Folgen. Gleichermaßen schlecht kann es sein, wenn das ausgewählte Hälterungsareal zwar ruhiges oder stehendes Wasser führt, dafür aber Faulschlammablagerungen und damit verbundene Sauerstoffarmut aufweist. Vom Marathonlauf direkt in die Sauna – so oder so ähnlich muss es sich für den Wels anfühlen, wenn er sich Minuten nach dem Fight in solch einem Gewässerabschnitt wieder findet. Abermals wird deutlich: Ein unerfahrener oder unaufmerksamer Angler, kann dem Fisch durch das Anleinen Schaden zufügen und das schneller als gedacht!

Allerdings, muss man auch mal eine Lanze für die andere Seite brechen. Denn so deutlich die Sprache ist, welche die von mir aufgezeigten Beispiele sprechen, muss man auch ganz klar sagen, dass die aufgezählten Fehler, sobald etwas Routine in die Sache gekommen ist, nahezu ausgeschlossen werden können. Mit den passenden Handgriffen und den richtigen Seilen, geht der komplette Vorgang sehr schnell und fischschonend über die Bühne.

Auch der Kritikpunkt, die Fische seien zusätzlichem Stress ausgesetzt, relativiert sich, wenn man bedenkt, dass es in manchen Situationen durchaus besser für den Fisch ist, im Uferbereich zu bleiben, nachdem er sich im Drill völlig ausgepowert hat. Ließe man ihn seinem Instinkt nachgehen, welcher ihn dazu treibt geradewegs zurück in die knüppelharte Strömung zu schwimmen, kann das, mit übersäuerten Muskelpartien, der gerade Weg ins Verderben für ihn sein. Will heißen: Natürlich „belastet“ man den Fisch mit zusätzlichem Stress, rettet ihm dafür aber unter Umständen das Leben.

Was übrig bleibt ist der „ethische“ Aspekt: Muss ich einen Fisch wirklich eine ganze Nacht lang anleinen, nur damit ich am nächsten Tag ein Foto machen kann?

Natürlich „muss“ man überhaupt nichts. Es gibt Situationen, in denen ein Anleinen einfach nicht sinnvoll ist. Beispielsweise beim aktiven Fischen in der Nacht. Man würde den Fisch irgendwo zurücklassen und hoffen, dass er bei der Rückkehr noch an Ort und Stelle ist. Ein absolutes No-Go.

Entschließe ich mich hingegen einen schönen Fisch, den ich im Laufe einer Nacht beim stationären Angeln fange, am nächsten Morgen bei passenden Rahmenbedingungen ablichten zu wollen, so finde ich persönlich daran absolut nichts Verwerfliches. Für mich macht es keinen Unterschied, ob ich einen Fisch fange und sofort fotografiere, oder eben erst am nächsten Morgen. Fakt ist, auf beides hat der Fisch keine Lust, beides bedeutet Stress. Dies finde ich, sollte man aber als Angler auch akzeptieren können, denn wenn wir nicht möchten, dass der Fisch in eine für ihn unangenehme Situationen gerät, dann sollten wir uns ernsthaft hinterfragen ob es Sinn macht, einem solchen Hobby nach zu gehen.

Solange ich mit Gewissheit davon ausgehen kann, dass der Fisch durch das Anleinen keine langfristigen Schäden davon trägt, werde ich es deshalb für mich beibehalten. Ich entscheide von Fisch zu Fisch ob oder ob nicht und denke damit einen für mich verträglichen Standpunkt zur angesprochenen Thematik gefunden zu haben.

 

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