20 Jahre Rhòne- Delta … Ein Wallerparadies im Wandel der Zeit

Der Unterlauf der Rhône gehört heute ohne Zweifel zu den renomiertesten Waller-Regionen der Welt. Insbesondere die kleine Rhône mit ihrem maritimen Bereich, ihrer urwaldartigen Uferbeschaffenheit und den mysteriösen Großwallern ist mittlerweile fast für jeden Wallerangler Europas ein Begriff. Zwanzig Jahre nach dem ersten Trip ins « Unbekannte  Wallerparadies » ist es eigentlich Zeit für eine anglerische, retrospektive Zusammenfassung aller unserer dortigen Erlebnisse und Beobachtungen, vom ersten Tag an bis Heute.

WER ALLES GLAUBT WIRD MANCHMAL SEELIG…

Im Winter 1991/92 planten Lothar und ich wieder einmal einen mehrwöchigen Angeltrip mit Südfrankreich als großräumiges Zielgebiet. So befanden wir uns Anfang Februar am damals schon bei allen Karpfen-Freaks bekannten Lac de Sainte CASSIEN, wo es zwar kalte Nächte, aber keine Bisse gab. So wurde an jedem weiteren Morgen im nicht weit entfernten Restaurant ein großer heißer Milchkaffe genossen um die Kampf-Moral so einigermaßen aufrecht zu erhalten. Nach einer eisigen und erfolglosen Nacht ist so etwas ein echter Luxus, zumindest solange bis endlich die Sonne hinter den Hügeln hoch genug steht um auf der Haut spürbar warm zu sein.

Eines Morgens kamen wir dann mit dem damaligen Inhaber Gerard Thévenon ins Gespräch über unsere neue Begeisterung fürs Waller-Angeln, welches wir zu dieser Zeit hauptsächlich in Spanien betrieben. Unser Freund Gérard erwähnte während unseren Gesprächs, von einem zweiten Wels-Gebiet in Frankreich gehört zu haben, welches nichts mit der damals schon als Wallerfluss bekannten Saône gemein hätte. Doch es kam dann noch dicker: In diesem Gewässer seien echte Großwaller beheimatet, viel grösser, quasi doppelt so gross  als die Fische der 55 Kilo-Klasse die zu dieser Zeit in Spanien und an der Saône hoch standen. Als Antwort auf unsere fragenden Blicke holte Gérard dann einen Zettel herbei, auf dem sich offensichtlich eine Telefon-Nummer befand, und fragte uns ob wir denn mehr darüber erforschen wollten.

JETZT WAR ES EINE GEWISSENSFRAGE …

denn wir waren nicht zum ersten mal im Süden und wussten genau wie sich nach einigen Gläsern RICARD die Berichterstattung der Menschen verhalten kann: Das am Strand angespülte Ei eines Katzenhaies wächst dann schon mal sehr schnell zu einem riesigen weißen Hai heran, der jede Woche mindestens einen Surfer und zweit Touristen zerfleischt.

Doch aller logischer Vernunft zum Trotz, …die Abenteuer-Gier war einfach unwiderstehlich, und noch am selben Nachmittag befanden wir uns im Auto Richtung Camarque ! Noch heute denken Wir immer wieder an diese spontane Fahrt ins ungewisse,…wenn wir da bloß gewusst hätten was uns die nächsten Jahre dort alles erwarten würde !

Unser Ziel war ein großes Gehöft welches inmitten der Camarque direkt am östlichen Ufer der kleinen Rhône lag. Gérard hatte uns dort telefonisch angemeldet, und wir sollten dort einfach nach einem Mann namens Robert fragen, der über die Welse bescheid wüsste. Einige Kilometer vor  unserer Destination sahen wir von der Strasse aus den Deich, hinter dem sich eigentlich nur der Fluss verbergen konnte. Wir hielten an und rannten durch die flachen Felder und dann den Damm hinauf, …jeder wollte als erster den ersehnten  Blick auf’s neue, so viel versprechendes Gewässer werfen: Langsam zogen die leicht grünlich gefärbten Wassermassen des etwa 120 m breiten Flusses durch die total verwachsenen Ufersäume. Überall ragte das Gestrüpp bis an die Oberfläche, mit zahlreichen versunkenen Bäumen deren starke Äste und  Stämme skurril aus dem Wasser hochragten.

Wir waren uns bei diesem Anblick sofort einig: Ein Spezial-Gewässer ! Wenn die Riesen-WallerPhantastereien sein sollten, dann  müsste es hier wenigstens einige kapitale Karpfen geben, Grund genug dafür die Sache ernst zu nehmen und die gründliche Erkundung des Gewässers fortzusetzen.

DIREKT INS HERZ HINEIN …

Am Ende eines staubigen Weges fuhr unser kleiner Peugeot 205 in einen riesigen Hof der von mehreren Gebäuden umgeben war. Als wir ausstiegen stand die Sonne schon ziemlich tief und tauchte die Camargue in ein orange-ockerfarbenes Ambiente, wobei die gleißend weiß gestrichenen Mauern hervorragend passten. Man hätte sich jetzt auch irgendwo in einem wilden Dorf Mexikos befinden können.

Aus dem Hauptgebäude trat eine alte Dame mit Cowboyhut, Lederkleidung und Reiterstiefeln die mit übergroßßen Sporen ausgestattet waren. Die von unzähligen Falten zerfurchte Haut ihres Gesichtes, die braun gefärbten Haare, und der Zigarillo in ihrem Mund hatten irgend was komisches. Ich brauchte erst mal eine Weile um herauszufinden was da klemmte: Es war ein so ein Zigaretten-Mundstück in parisem Chics aus den zwanziger Jahren, in dem der qualmende Zigarillo steckte. Als wir nach Robert fragten schickte Sie uns in Richtung Fluss der sich hinter dem Haupthaus befand, …er sei da wohl sicher an seinem Bootsteg am Rumbasteln.

Wir fragten uns natürlich wo wir hier eigentlich gelandet waren, jedoch waren wir noch lange nicht am Ende unseren Erstaunens: Hinter dem Haus sass ein derb aussehender Mann andalusischer Abstammung (anm.: ich weis nicht ob man noch Zigeuner sagen bzw schreiben darf) hinter einem riesigen Berg frisch geschossener Fasane, um diese nach und nach alle zu Rupfen. Ein paar Meter weiter befand sich der Steg auf dem eine weitere Gestalt mit seltsamem outfit stand. Etwa 1.65 m gross und sehr schmal, unter dem Leder Hut ragten lange braune Haare heraus, unter dem langen, extrem dicken und uralten Ledermantel ein rosanes, weit offenes  Hemd aus den siebzigern, eine baue Lederhose und gelbe Gummistiefel in Kindergröße, …Robert  ! Unsere Verstörtheit wich jedoch in Sekundenschnelle als er uns besonders freundlich begrüsste. Im ganzen Gehöft würde sich keiner für seine Fischerei interessieren , und deshalb hätte er  bereits auf uns gewartet um gemeinsam einige Netze auszulegen, und über die grossen Welse « fachsimpeln » zu können.

ES WAR KEINE ZEIT MEHR ZU VERLIEREN …

und nur einige Minuten später befanden wir uns zusammen mit Robert und dem « Fasanen-Entfederer » in eimem langen Metallkahn, in voller Fahrt den Fluss hinab. Es wurden insgesamt etwa fünf Netze von jeweils etwa 30 m Länge vom Ufergestrüpp aus in Richtung Flussmitte ausgelegt, mit Wolfsbarsch und Zander als vorrangigem Zielfisch. Wir bekamen einen regelrechten Leergang von seitens des einheimischen Berufsfischers, der ohne die geringste Geheimniskrämerei alle seine Erfahrungen und Beobachtungen im Detail erläuterte. Vieles was wir hier bereits an unserem Ankunfts-Tag erfuhren sollte uns in den folgenden Jahren beim Fischen von Nutzen sein. Die Einströmungen salzigen Wassers im maritimen Bereich, welches sich dann in tieferen Rinnen und Gumpen in Grundnähe sammelt. Die Beschleunigung bzw die Verlangsamung der Fluss-Strömung im Rhythmus der Gezeiten. Die Tatsache dass Zander fast ausnahmslos in unmittelbarer Ufernähe im Netz zu fangen sind. Dass grössere Karpfen meist erst oberhalb der Sylvéreal- Brücke in seinen Netzen seien.

Usw, usw…

Als Krönung bekamen wir dann noch gezielte Stellen gezeigt, an denen jeweils bereits wiederholt Welse, große Karpfen, oder Zander ins Netz gegangen sind. Bei der Rückfahrt war es bereits dunkel und der Fahrtwind eisig. Im Scheinwerferlicht vor dem Kahn sprangen massenhaft die aufgeschreckten Meeräschen umher, wobei sogar einige Selbstmörder direkt im Kahn landeten.

Im Hauptgebäude wurden dann das Foto-Album inspiziert, wobei besonders das Foto eines mächtigen Wallers interessant war, der angeblich 97 Kilo bei 2.35 m Länge auf die Waage gebracht haben sollte. Aus einem amateurmäßigen Foto die genaue Größe eines Fisches herauszusehen ist natürlich kaum möglich: Es war jedoch zweifellos zu erkennen, dass dieser Fisch viel grösser war wie alle die wir bisher zu Gesicht bekommen hatten, …um nicht zu sagen dass er im Vergleich zu unseren damaligen spanischen Rekord-Wallern ein wahres Monster war !

EIN FLUSS OHNE BODEN  BEI NACHT UND NEBEL …

Mit Robert verabredeten wir uns dann für den nächsten Morgen um 6 Uhr um die ausgelegten Netze einzuholen. Zur Übernachtung am Wasser installierten wir uns dann unter der Brücke von Sylvéréal, doch in unseren warmen Schlafsäcken ging uns das Foto von dem fetten Waller nicht mehr aus dem Kopf. So wurde schnell das kleine Schlauchboot aufgeblasen, was eigentlich nur zum Anfüttern und Drillen von Karpfen vorgesehen war. Zu zweit in dem winzigen Boot ruderten wir dann in völliger Dunkelheit und bei Nebel auf den eiskalten Fluss hinaus. Robert hatte uns versichert, dass direkt unterhalb der Brücke aufgrund der scharfen Tiefenkanten einer der besten Wallerplätze sei. Doch dieser erste Versuch gestaltete sich bereits außerordentlich schwierig: Unsere für den Allround-Einsatz mitgebrachten mittelschweren Bleiköpfe der Gummifische sanken einfach ohne Ende in die scheinbar unendliche schwarze Tiefe. Sie wurden von dem Druck der Wassermassen auf die Schnur unkontrollierbar und ohne spürbaren Bodenkontakt einfach ins Nichts hinweg gezogen. Dieser erste improvisierte Angelversuch musste deshalb schnell wieder abgebrochen werden, doch auch hinsichtlich dieses Mini-Abenteuers denken wir immer wieder auch Heute noch : « Wenn wir da gewusst hätten was unter unserem Boot in den mysteriösen Tiefen auf der Lauer lag » !!!

Bei dem Einholen der Netze am nächsten morgen wurde uns dann endgültig bewusst, um welch außergewöhnliches Gewässer es sich bei der kleinen Rhône handelte: Es wurden insgesamt 800  Kg Meeräschen bei eisiger Kälte aus den Maschen gepullert ! Am Ende standen Wir dann quasi hüfthoch in den zappelnden Fischen die laut Robert etwa 3 Francs (ca 0.5 €) pro Kilo bringen. Ansonsten waren nur wenig andere Fischarten ins Netz gegangen, einige Karauschen, Brassen, ein oder zwei kleine Schuppenkarpfen und leider kein einziger Waller, Zander oder Wolfsbarsch.

Doch was dort an Biomasse als Futterfische für Welse aus dem Mittelmeer aufstieg war schier unglaublich: Es war uns jetzt klar dass nirgendwo anders Waller so perfekte Lebens und Wachstums-Bedingungen vorfinden wie hier ! Wenn es denn irgendwo den Hundert-Kilo-Fisch geben sollte, dann waren wir ihm hier auf der heißesten Spur.

MEHR MÜHE ALS BROT …

Unsere erste Erkundungstour hatte mich derart beeindruckt, dass ich mich dazu entschied meinen damaligen Wohnsitz von Paris nach Montpellier zu verlegen. So wurde es dann Sommer bis ich endlich im Süden installiert war und mich den Wallern des Rhônedeltas widmen konnte. Für die ersten Angelversuche entschied ich mich die in Spanien so bewährte Methode des nächtlichen Spinnfischen mit Effzett-Blinker. Doch was in vielen Gewässern so prima funktioniert hatte wollte hier einfach nicht klappen: Stundenlang lies ich den Blinker mit höchster Konzentration auf die Wasseroberfläche klatschen, zwei Sekunden warten, dann schnell anleiern,…doch der so sehnlichst erwartete harte Schlag beim Absinken oder Ankurbeln blieb einfach aus. Zur Belohnung des nächtlichen Ausharrens gab es hier erst mal keinen Ruck in die Rute sondern unzählige Schnakenstiche, mit anderen Worten, das nächtliche Fischen war hier kein spannendes Vergnügen sondern eine fast unbeschreibliche Qual.

DEN EFFZETT NACHTS DURCH DIE MEERÄSCHENSCHWÄRME ZU KURBELN …

war wohl nicht die beste Methode für den Hochsommer. Ich entschloss mich also dazu einige Versuche bei Tag mit in grundnähe geführtem Gummifisch zu machen. Als Kontrast zu den zweipfündigen Meeräschen wählte ich gezielt einen mit 12 cm Länge extrem kleinen, grünglitternen SHAD an einem einigermaßen soliden 20 Gr Bleikopf. Wenn so ein kleiner Happs dem tagsüber am Grund ruhenden Waller direkt vors Maul springt, sollte er schon mal einen Ansaug-Reflex bei ihm auslösen. Und es klappte viel schneller als erwartet: Ich pumpte im Schatten der Brücke mein Schlauchboot auf, ruderte bis in die Mitte zwischen Ufer und Pfeiler, lies den Köder vertikal zum Grund absinken, zupfte einmal, zweimal, …und rumps da ging die Bremse los ! Ich hatte meinen ersten Rhône-Wels am Haken, ein sehr dunkel marmorierter Fisch von etwa 1.40 m Länge, zwar kein Monster aber ein autentischer Waller, dem kurz darauf ein zweiter von etwa 1.80 m Länge folgte, der allerdings von außen im Kiemendeckel gehakt war. Beide Fische standen im Schatten der Brücke am Grund, ein perfekter Sommerplatz der sogar vom Ufer aus befischbar war.

EINFACH SCHNÖRKELLOS ERFOLGREICH …

Wenn man sich für so etwas wie das Wallerangeln richtig begeistert, dann besteht oft das Bestreben unbedingt etwas spezielles und kompliziertes zu erfinden, um die Welse und  Angel-Kollegen gleichermaßen zu überraschen.  Lothar und ich, wir sind da auch keine Ausnahmen, doch manchmal haben wir auch Geistes-Blitze anglerischer Vernunft . So wurden auf die allereinfachste Art und Weise einfach einige handgroße Köderfische mittels eines 300 Gramm Grundbleis unter der Brücke abgelegt. Und der Erfolg lies natürlich nicht lange auf sich warten: Ob Tag oder Nacht, zu keiner Zeit war man vor einem Anbiss sicher ! Die an und für sich fast schon peinlich simple Grundfischerei mit vorzugsweise großen Rotfedern und Rotaugen funktionierte perfekt, und schnell wurden neue Stellen erlotet und erfolgreich auf diese Weise befischt. Wenn wir zu zweit oder zu dritt (jeder mit nur einer Rute!) mit dem kleinen Boot auf einer Sandbank anlandeten, und die Montagen in verschiedenen Distanzen ablegten, waren wir uns des Erfolgs eigentlich immer ganz sicher. Sechs oder sieben Bisse in einer Nacht waren so mit die besten Sessions, mit regelmäßigen Fischen zwischen 50 und 60 Kg.

Wenn Langeweile aufkam wurde die Spinnrute mit dem schwarz-weißen oder grün-glitternen Gummifisch flott gemacht, und oft gesellte sich dann zu den angebundenen Kameraden noch ein sportlich gefangener Geselle. Vor allem vormittags in den Ausläufen der Tiefen Rinnen, unterhalb von engen Flusskurven war der Gummifisch im flacheren Wasser (2.5 – 5 m) des wieder ansteigenden Grundes ein klasse Köder. Wir führten Ihn in der Regel schräg stromabwärts gezupft, mit relativ leichtem Bleigewicht vom treibenden Boot aus, eine Technik die bis heute ihre Fängigkeit bewahrt hat, genauso wie das unkomplizierte Grundfischen mit kleineren Weißfischen als Köder. Die Stunde des Effzett schlug dann endlich im nächsten Frühjahr: Es war erst Mitte März, für den damaligen Kenntnis-Stand eigentlich eine eher aussichtslose Saisonzeit, als das Aufklatschen des Blinkers irgendwann so um drei Uhr Nachts dann endlich mit einem harten Ruck und gleichzeitigem lauten Schwanz-Schlag auf die Oberfläche quittiert wurde. Der Bann war nun gebrochen, und es folgten noch einige schöne Blinker-Waller über den ganzen Frühling. Nach recht vielen gefangen Wallern, mit einem Schnitt-Gewicht von etwa 40 Kg stellte sich jedoch irgendwann die große Frage: Gibt’s die wahren Riesen wirklich ???

EIN ERSTER GIGANTEN-KONTAKT …

Den Glauben an den « wahren Riesen » verloren wir zwar nicht, es wurde uns jedoch bewusst dass der Grund der kleinen Rhône nicht gerade mit Monster-Wallern gepflastert war. Wir gründeten zu dieser Zeit das CATPOWER-TEAM , welches aus deutschen und französischen Waller-Fans zusammengewürfelt war. Diese Gruppe von Anglern verschiedenster Herkunft traf sich dann jedes Jahr ein oder gar zweimal zum Fischen in der Camargue. Jahrelang wurden gemeinsame Erfahrungen gemacht und ausgetauscht, sich gegenseitig neu motiviert, oder einfach nur die stets gelassene und freundschaftliche Atmosphäre genossen.

Irgendwann wurde der ganze Verein  dann so groß, dass sie sich die Mitglieder gar nicht mehr alle untereinander kannten und zu guter letzt in verschiedene Splittergruppen auflösten. Ein leider   wohl ganz normales « Phänomen » des Blühens und Welkens allen Seins den unumgänglichen Naturgesetzen folgend. Nach einer Erforschungsphase des Karpfenbestandes mit spektakulären Fängen (die Anzahl der Fische betreffend), wurde uns ebenfalls klar dass hier auch die großen Karpfen eher sehr dünn gesäht waren. Nur ganz wenige von hunderten gefangener Karpfen konnten gerade einmal an der vierzig Pfund Marke knabbern. 

SO WAR ES AUCH BEI EINEM EIGENTLICHEN KARPFENANSITZ …

als ich mehr oder weniger zufällig mit dem ersten Monster-Wels zu tun bekam: Dies geschah wieder im Hochsommer (mittlerweile 1994). Ein nichtangelnder Freund war gerade zu Besuch da, und es sollte deshalb nur vom Ufer aus im Schatten der Sylveréal-Brücke gemütlich auf Karpfen geangelt werden. Doch nach ein paar Stunden hielt ich es einfach nicht mehr aus, mir die im Schatten am Grund liegenden Waller vorzustellen. Mein winziges Schlauchboot russisch-militärischer Herkunft war ja als Drillboot dabei, und die Kev-Pike Spinnrute war auch im Kofferraum. Bloß die richtigen Gummifische und robusteren Bleiköpfe waren zu Hause geblieben. Doch zum Glück zählte die strenge Ordnungshaltung noch nie zu meinen grössten Tugenden, und der Wirrwarr-Kneul der alten Angeltasche gab letztendlich einen kleinen weißlichen Sassy-Shad von MEPPS frei, der auf einem Zander-Bleikopf saß.

Ein etwas grösserer Jig-Kopf mit einigermaßen stabilen Haken war ebenfalls mit etwas Geduld aus dem Kneul zu holen. Ich entfernte den Sassy-Shad vom Zander-Bleikopf steckte ihn auf den für ihn viel zu großen Jig-Kopf, wobei der Hakenschaft viel zu lang war und der jämmerliche Shad erbärmlich mit dem Hinterteil nach unten geknickt einen absolut lächerlichen Eindruck machte. Doch ein paar Minuten später standen wir beide auf dem Unterwasser-Absatz des Brückenpfeilers um von dort aus ein Stündchen auf Wels zu fischen. Ich machte meinen ersten kurzen Pendelwurf inRichtung des Ostufers wobei der Köder etwa in der Mitte des schmalen Restarms landete. Er sank mit halb gespannter Schnur zum Grund, kam dort aber niemals an: Es gab nämlich den klassischen, sich so harmlos anfühlenden Zupfer eines Fisches der den Köder einfach einsaugt ohne sich großartig zu bewegen ! Und genauso wie in solch einer Situation instinktiv erwartet, stieß der reflexartige Anhieb « wie auf kaltes Eisen », …vorerst also einmal das « Feeling » eines Hängers am Grund kurz genießen und dabei die Rollenbremse einstellen.

Doch nach mehreren Sekunden fragte ich mich ob es nicht tatsächlich nur ein Hänger sei, und der vermeintliche  Ansaug-Ruck nur der Schnur-Kontakt mit einer Meeräsche. Der Schnittpunkt meiner 24 Kilo Stroft GTP Schnur mit dem Wasserspiegel wanderte jedoch Zentimeter für Zentimeter ganz langsam flussabwärts und sorgte fûr einen extremen Adrenalin-Schock der meinen ganzen Körper durchdrang. Ich forcierte den Druck aufs äußerste was dem Bleikopf zuzutrauen war, und der Fisch quittierte dies mit einer leichten Geschwindigkeitserhöhung, schwamm jedoch immer noch ausgesprochen langsam im Vergleich zu allem was ich bis dahin in meinem Leben so an der Leine hatte. Einer der wahren Riesen war jetzt zum Greifen nah, und ausgerechnet an dem schäbigen alten Jig dessen Haltbarkeit so schlecht einschätzbar war !  Die Rollenbremse drehte sich langsam aber sicher, nur keine Panik aufkommen lassen sagte das Angler-Hirn. Wenn der Haken tief eingedrungen ist  kann man schon mal richtig ziehen bevor er sich aufbiegt, nur von Anfang an richtigen Druck beibehalten, sagte ich mir und forcierte die Bremse noch mehr.

Doch jedes Mal wenn ich die Bremse ein wenig weiter zu drehte begann sie sich um so schneller zu drehen. Mit aller Gewalt kämpfte ich gegen die Panik, versuchte die Ruhe zu bewahren, dachte hin und her, ins winzige Boot springen oder auf dem an und für sich perfekten Pfeilerabsatz stehend der Schnur-Kapazität zu trauen und den Fisch hier sicher greifen zu können. Das letztendlich doch panische « hin und her Gezögere » hat mich dann diesen Fisch letztendlich gekostet: Der Spulenboden wurde schneller sichtbar als erwartet, und es war bereits viel zu spät als wir ins Boot stiegen. Der Großwaller befand sich in « voller Fahrt flussab » und selbst auf 200 m Entfernung gab es da keinen Zentimeter « Gnaden-Dehnung » von seitens der Geflochtenen. Das Boot konnte mit seiner Trägheit nicht vom Fisch ins Schlepp genommen werden, und ich spürte trotz der riesigen Entfernung ganz deutlich wie er sich verabschiedete. Ja, es gibt eben immer wieder Momente in denen man auch als erfahrener Waller-Angler wieder ganz plötzlich zum 3 Käse hohen GREENHORN wird !

DIE ZEIT DER KUTTJER-ORGIEN …

Ein einziger Gedanke kam mir während des Aufleierns meiner 200 m Schnur mit dem aufgebogenen Haken am Ende ins Hirn: « Wie lange wird es dauern bis du so eine Chance nochmal erhalten wirst » ? Und es dauerte ein Jahr und drei Monate ! Aber in der Zwischenzeit hat sich viel ereignet. Schon im darauf folgenden Oktober fingen meine Angelfreunde Guy Haensler und Pascal Tizorin auf einen 30 Gramm Blinker der Marke EIRA ein 2.17 m langes und genau 71 Kilo schweres Exemplar. Zusammen mit meinem Vater fischten wir auf Karpfen am so genanten « Nathalie-Beach » (etwa 8 km oberhalb der Brücke), wo wir jede Nacht etwa gegen zwei Uhr einen gewaltigen Waller etwas weiter flussab am rechten Ufer rauben hörten. Wir teilten dies unseren beiden Freunden mit, die dann zur zweiten Nachthälfte den Fisch gezielt « Beblinkerten » …und fingen.

Zur selben Zeit wurden in der Saône spektakuläre Erfolge mit dem Wallerholz erzielt, und als diese Methode zum ersten Mal an der kleinen Rhône zum Einsatz kam, war das Resultat regelrechte Wels-Orgien. Das fangen einiger schöner Welse mitten am Tag war nun auf einmal ein Kinderspiel geworden, und viele Fische zwischen 2.10 und 2.20 m Länge wurden in den ersten Kuttjer-Monaten gefangen. Trotz der unzähligen mit Wallerholz gefangenen Fische war jedoch kein wahrer Monsterwels dabei.

Auf diesen mussten wir bis ende Oktober 1995 warten: Die Beißfreudigkeit der Waller beim fischen mit dem Wallerholz hatte bereits stark nachgelassen, und wir versuchten dies mit sehr langen Pause-Intervallen (nur ab und zu mal ein Schlag alle hundert Driftmeter) des Schlagholzes und « Finesse-Angelns » mit sehr leichtem Gerät zu kontern. Als Montage diente ein Einzelhaken der Größe 5/0 vor dessen Öhr ohne Abstand ein nur etwa 10 bis 15 Gramm schweres Olivenblei geschaltet wurde. Der Haken war direkt an die 0.35 mm dicke Geflochtene Schnur gebunden um den Druck der Strömung auf die Schnur so gering wie möglich zu halten. Auf diese Weise bekam ich dann endlich an einem Samstag Morgen gegen zehn Uhr den lang ersehnten Monsterfisch an den Haken. Am Einlauf eines tiefen Gumpens nahm der Waller die beiden im Kopf eingestochenen und frei flatternden Tauwürmer in etwa zehn Metern Wassertiefe, und in 1.5 m Entfernung vom Grund.

GENAUSO WIE BEI SEINEM KOLLEGEN …

vom Brückenpfeiler stand die Schnur Minutenlang steil nach unten, und nur beim längeren Hinschauen zum Ufer war erkennbar dass sich das Boot flussabwärts bewegte. Ich wusste sofort das es sich um einen Ausnahme-Fisch handeln musste, was sich nach mehr als einer Stunde bestätigte. Im relativ klaren, grünlichen Rhônewasser zeigte sich das Monster in ganzer Breitseite etwa sechs Meter oberhalb des Bootes: Niemals werde ich diesen nur drei Sekunden kurzen Augenblick vergessen ! Der Fisch hätte jetzt selbst verloren gehen können, das wäre gar nicht so schlimm gewesen, denn wir hatten IHN ganz deutlich gesehen !  Doch diesmal ging alles gut.  Zusammen mit meinen Freund Bernard Folché landeten wir den 2.53 m langen Waller auf einer Flussabwärts befindlichen Sandbank. Wir entschlossen uns dazu den vom langen Drill ermüdeten Fisch nicht anzubinden, machten mit zitternden Händen einige Fotos, und ließen Ihn direkt wieder zurück in die mysteriösen Tiefen der kleinen Rhône ziehen. Wohl aus Ehrfurcht und Respekt unseren geschlagenen « Gegners » gegenüber gab es weder irgendein Gejubel noch Freudenausbruch. Mit ganz seltsamen Gefühlen sassen wir dann beide auf dem Sand, sprachen nicht über das gewaltige Ereigniss, sondern beobachteten wortlos und mit feuchten Augen kleine blaue Schmetterlinge die sich auf dem nassen Sand des Ufers niederließen und wieder wegflatterten.

VON DER TRAUMZEIT ZUR GEGENWART …

Aufgrund der mittels Wallerholz bis dahin relativ einfach zu fangenden Waller  kamen nach und nach immer mehr Angler an die kleine Rhône. Trotz der damals schon zeitweise großen Anzahl von Anglern blieb der Charme des Gewässers und die Natur davon sehr lange unbeschadet. Es waren eben fast ausnahmslos respektvolle Leute die hauptsächlich vom Boot aus angelten. Die Heute zu bedauernden Zustände (Massenabspannen auch am Tag und Kahlschlag an allen Ecken) wurden erst seit kurzer Zeit von der « neuen deutschen Welle » eingeschleppt, deren heiliger Graal wohl der Rekord-Wels um jeden Preis zu sein scheint. Leider hatte dies ein radikales Abspann und Bojen-Verbot von seitens der französischen Behörden zufolge. Eine anwachsende Deutschfeindlichkeit bei französischen Anglern ist ebenfalls zu spüren, und unbetroffene deutsche Gastangler können noch Froh sein dass die meisten Franzosen sich die Mühe machen nicht alle deutschen über einen Kamm zu scheren.

So etwa in den Jahren 1997/98 legte sich der erste Ansturm wieder. Der Grund dafür war sicherlich die Tatsache dass die Waller immer seltener auf den Kuttjer reagierten. Für das CATPOWER Team war dies natürlich eine besondere Herausforderung um neue Techniken und Montagen aller Art auszutesten. Einige bevorzugten eher das stationäre Bojen-Angeln, andere wiederum stellten die Fraktion der Aktiv-Angler. Natürlich wurde sich unter besten Freunden auch schon mal ein wenig motivationsfördernd provoziert. Wörter wie « Karauschen-Schinder » oder « Langleiner » erreichten schon mal die Ohren der Ansitz-Angler, vor allem nach einer erfolgreichen Blinker-Nacht. Aber insgesamt bereicherte man sich eher gegenseitig in einem immer fairen und freundschaftlichen Wetteifern. Im allgemeinen stellte es sich auf natürliche Weise so ein dass große beblinkerte Fische ganz einfach doppelte Anerkennung erhielten. Es ist ja gerade das schöne am Waller dass man ihn auf so vielseitige Weise erfolgreich beangeln kann. Der überraschende Ruck in der Spinnrute oder der Sound des Bissanzeigers der einen nachts aus dem Tiefschlaf reißt, diese Vielfalt macht die Sache doch nur noch interessanter.

ABER NICHT ALLES WAS DA AUSPROBIERT WURDE …

wäre heute noch eine Erwähnung wert, manche Sachen jedoch sind bis heute noch zum Fischen relevant. Als Beispiel diene die Flying-Spoon Montage die Ich 1996 zum ersten Mal verwendete. Zum « Power-Fishing » in großen, relativ monotonen Strom-Abschnitten ist sie für mich immer noch die ideale Allroundmethode um mit relativ wenig Aufwand schnell zu einem guten Fisch zu kommen. Sie ergänzt sich hervorragend mit der präziseren aber sehr langsamen Fireball Technik mit lebendem Köfi. Bei dem Flying-Spoon Prinzip handelt es sich um eine sehr einfache Montage, eine Art Hybride aus Kunst und Naturköder der die Vorteile beider vereint. Vom konzeptuellen Aufbau her könnte man es auch als ein Umkehr-Spinnerbait bezeichnen. Auf einer dicken Monofilen wird einfach ein solider Wirbel angebunden, an diesem wiederum ist unten mittels eines Sprengrings ein so genannten « Willow-Leaf » Spinnerblatt der amerikanischen Größe 5 bis 8 (dicke 0.25) angebracht. Diese Spinnerblätter sind dünn und länglich mit Spitzen Enden, pulsieren heftig, stören jedoch nicht mit einem großen Widerstand und Auftrieb bei Zug. Oberhalb des Wirbels wird einfach ein Olivenblei (30 – 140 Gr) und darüber ein großer Einzelhaken mit gradlinigem Öhr aufgefädelt (Spitze nach oben) und am Hochrutschen auf der Schnur mit einem Stopper gehindert. Der Haken kann dann mit Tauwürmern oder eingefrorenen kleinen Aalen (wo es erlaubt ist) beködert werden. Heben und Senken in Grundnähe mit gelegentlichem hochziehen bis ins Mittelwasser ist vom treibenden Boot aus eigentlich immer erfolgsversprechend. Am besten ist es jedoch wenn das Boot vom Wind (oder vom E-Motor) quer flussabwärts in leichte Fahrt gerät, und somit schnell viel Fläche abgefischt wird. Da der Haken oberhalb des Bleies und des Spinnerblattes mit der Spitze nach oben steht kann das Ding auch mal länger über den Grund rattern ohne gleich fest zu hängen. Wenn die generelle Beißlaune der Waller vorhanden ist, dann ist diese Methode eigentlich unfehlbar effizient.

SOMIT WÄREN WIR BEREITS BEI DER GEGENWART ANGELANGT …

und zum Abschluss dieser Retrospektive möchten wir Euch gerne auch noch ein paar nützliche Angeltipps zur Rhône geben. Der Angeldruck an der kleinen Rhône ist mittlerweile ziemlich extrem geworden. An der großen Rhône wurden jedoch bei wesentlich geringerer Angler-Dichte ebenfalls zahlreiche Waller der  « 80  Kg + «  Klasse gefangen. Lasst Euch nicht von den überwältigenden Ausmassen dieses Stroms beeindrucken! Der Wallerbestand ist ausreichend dicht und die Fische sind noch wenig befischt worden. Zwischen Im ganzen Unterlauf von dem Delta bis hoch nach Valence gibt es unzählige gute Stellen, die auf den streckenweise befahrbaren Deichen bequem zu befischen sind.

Bei Insidern ist das zeitige Frühjahr (März-April) besonders für die ganz Kapitalen eine beliebte Zeit. Die Wasser-Bedingungen sind dann zwar sehr unsicher (Hochwasser-Risiko), es werden jedoch zahlenmäßig wenig aber sehr große Fische gefangen. Im Mai ist meines Erachtens nach die beste Zeit zum Spinnfischen. Die Waller sind dann oft an den Laich-Plätzen der Karpfen, in flachem Wasser oder dicht am Ufer zu finden. Derartige Stellen sind in der Regel sehr einfach mit dem Auge zu orten, (einfach nach weiter in den Fluss hinaus sichtbaren Krautbänken Ausschau halten).

Im Sommer können auch Pellet-Angler Sternstunden erleben. Ein auf sauberem Grund angelegter massiver Futterplatz bringt in der Regel innerhalb von zwei bis drei Tagen Waller und Karpfen zu Tage. Es ist dann auch meist recht einfach mit der Feeder-Rute Karauschen und Brassen zu fangen. Diese Köderfische an der U-Pose auf dem Futterplatz abgelegt ist immer einen Versuch wert. Zu dieser Methode sind Wassertiefen von 5 – 8 m bei mittlerer Strömung zu empfehlen, vorzugsweise mit sandigem oder kiesigem Grund ohne Schlamm. Jederzeit kann da ein echtes  Rhône-Monster einsteigen. Die Grundmontage funktioniert zu dieser Zeit weil bei normalem Wasserstand wenig Treibgut in die Schnur gerät.

Im Herbst ist dann wieder die Zeit des vertikalen Treibangelns zu empfehlen, da das stationäre Fischen oft durch abgestorbenes Kraut gestört wird, welches dann zentnerweise in der Leine hängt. Auch das Wallerholz bringt zu dieser Zeit in den noch wenig « beschlagenen » Zonen immer wieder mal überraschende Ergebnisse. Auch im Winter ist es möglich erfolgreich zu fischen, was Euch Sven auch gerne bestätigen kann. Die Platzwahl und die Standort-Suche sind dann aber meistens sehr zeitaufwändig und die Beißzeiten oft nur sehr kurz.

Somit wünschen Wir allen die einmal den Rhônewallern nachstellen wollen viel Spaß und Erfolg in Südfrankreich, wo’s außer großen Welsen auch noch reichlich Karpfen, charmante Frauen, und guten Rotwein gibt….

Thomas Flauger (WWW.Carpsounder.com)