Wieder am Ziel … von Sven Dombach
Lyon 258 km …
so steht es auf dem Schild an der Autobahn. Als ich darüber nachdenke, wird mir bewusst, dass es danach immer noch 250 km weiter geht. Also ein verdammt langer Weg. Es ist 23:30 Uhr, Sonntag 25. Dezember 2011.
Ich bin nicht auf dem Weg zu einem weiteren Weihnachtsessen, sondern es geht wieder in den Süden Frankreichs zum Welsfischen. Was habe ich doch für ein Glück, dass ich das alles erleben darf. Mein Angelpartner Patrick sitzt auf dem Beifahrersitz und kämpft gegen seine Müdigkeit.
Irgendwann knickt sein Kopf dauerhaft zur Seite und in diesem Moment hat er diesen Kampf verloren. Nun bin ich alleine mit der Dunkelheit, der Straße und dem monotonen Vorbeirauschen der weißen Fahrspurbegrenzungen. Auch von meinen beiden Hunden kommt kein Lebenszeichen mehr, denn auch sie sind dem Schlaf verfallen und das kann ich ihnen nicht einmal übel nehmen. Recht haben sie!
Ich fühle mich wach und völlig in der Lage der Dunkelheit Kilometer für Kilometer abzuringen. Diese Situation ist mir mittlerweile nur zu gut von meinen zahlreichen Fahrten in den Süden bekannt, aber ich weiß auch, dass die Gefahr immer mitfährt. Der Schlaf kommt innerhalb weniger Sekunden und man muss sich ständig beobachten. Sobald man einen Hauch von Müdigkeit verspürt, gilt es anhalten und Pause machen.
Diesmal soll es an die große Rhone gehen …
Das Revier ist mir zwar von früheren Trips bekannt, aber seit Tagen regnet es im Osten Frankreichs und die Pegelstände zeigen ein deutliches Hochwasser an. Also eine Fahrt ins Ungewisse. Mein Plan ist es, einige Plätze anzufahren, um dann je nach Wasserstand und Bauchgefühl zu entscheiden wo und wie ich fischen werde.
In Gedanken gehe ich gerade mein Tackle durch, als mir einfällt, dass ich seit dem Beginn unserer Fahrt noch nicht nach den Köderfischen geschaut habe. Shit, das darf nicht passieren. Ich fahre den nächsten Parkplatz an und checke nervös die Lage. Glück gehabt. Meine Karpfen und auch die Forellen erfreuen sich bester Gesundheit.
Beim Winterfischen ist alles etwas anders, oftmals auch schwieriger. Erfolgreiches Feedern ist in der Regel nicht möglich und deshalb sollte man einen ausreichenden Vorrat an Köderfischen dabei haben, um vor Ort nicht die erste fangentscheidende Enttäuschung zu erleben.
Also alles ok und weiter geht’s. Als sich mein Blutdruck wieder im grünen Bereich eingefunden hat, verlieren sich meine Gedanken in der Nacht. Es ist gerade ein paar Wochen her dass ich mit Patrick die gleiche Strecke gefahren bin, um an die kleine Rhone zu kommen. Plötzlich habe ich die Erlebnisse dieser Reise ganz real vor meinem inneren Auge.
Das war ein sehr spezieller und intensiver Trip …
Zum einen befischten wir den oberen Teil der Petite Rhone, der für uns absolutes Neuland bedeutete und zum anderen ließ es sich aus organisatorischen Gründen nur so bewältigen, dass wir alles was wir für 2 Wochen benötigten dabei hatten und die Sachen mit dem Boot transportierten. Also Tackle, Futter zum Feedern, Kleidung, Liege, Schlafsack, Köderfische, Foto- und Filmausrüstung, Essen und Trinken und das alles mal zwei, PLUS Sprit, PLUS Auslegeboot, PLUS EDDIE! Also das Boot war wirklich übervoll beladen und das Verändern der eigenen Sitzposition während der Fahrt verlangte einem eine sehr große Körperbeherrschung und Freikletterkünste ab.
Natürlich haben wir unser komplettes Gut nicht zwei Wochen durch die Camargue geschippert, sondern als absehbar war, welchen Bereich wir befischen wollten, haben wir uns ein einigermaßen zentrales Zwischenlager angelegt. Dieses wurde von Zeit zu Zeit angefahren, um die Vorräte aufzufüllen. An dieser Stelle möchte ich mich noch bei Stefan, Benni und Peter von Black Cat Guiding bedanken. Sie haben uns feine Dinge aus dem Supermarkt bis ans Wasser geliefert. Das war großer Sport. DANKE dafür!
Während ich diese Materialschlacht noch einmal …
vor meinem inneren Auge vorbeilaufen sehe, nimmt mein äußeres Auge ein Schild an der Autobahn war. „PEAGE“-Mautstelle. Nachdem ich diese unliebsame Hürde genommen habe, geht die Fahrt Richtung Süden weiter und schnell finden meine Gedanken zurück zur kleinen Rhone. In besonderer Erinnerung habe ich eine Höllennacht. Im Herbst nimmt die Freizeitschifffahrt an der petite Rhone merklich ab und man kann seine Ruten getrost mit Einbruch der Dunkelheit hinüber ans andere Ufer spannen. Es war wohl die 9. oder 10. Nacht. In der Abenddämmerung platzierte ich 4 von unseren 8 Ruten abgespannt auf die andere Seite. Alles ging schnell und reibungslos von der Hand.
Nach getaner Arbeit gönnten wir uns ein feines Mahl. Ich glaube es gab Spaghetti mit Tomatensauce, darüber zerbröselter, „mittelalter“ Gouda. Lecker hat`s geschmeckt. Es war windstill und unsere Rutenspitzen tanzten um die Wette. Die Köderfische gaben alles was in ihrer Macht stand, um den Silure aus dem Unterholz zu locken. Ständig klingelte es an allen Ecken und die Spannung brachte die Luft zum brennen. Wir waren uns beide sicher, dass jeden Moment ein Brachialbiss kommt. Wir setzten uns sogar ein wenig näher ran an die Ruten, um wirklich sofort anschlagen zu können.
Es war eine sternenklare Nacht …
die perfekte Nacht für einen Großen. Plötzlich, wie aus dem Nichts wurde der Fluss hell beleuchtet, so als ob jemand einfach den Lichtschalter gedrückt hätte. Ich kenne das von meiner Fischerei am Main. SCHIFF!!!!! Dann ging alles ganz schnell. Wir springen zu unseren abgespannten Ruten, reißen ab und kurbeln völlig panisch mit der Gewissheit, dass es nicht reicht.
Nach ein paar Kurbelumdrehungen spüre ich konstanten Zug auf der Schnur. „Jetzt hat er mich“….ich halte die Rute gerade, Hand auf die Spule und warte bis es vorbei ist. Ein mächtiger Schlag mit dem anschließenden Erschlaffen der Schnur signalisiert, dass das Geflecht gerissen ist und ich mich um meine andere Rute kümmern kann. Also das gleiche Spiel nochmal.
Irgendwann hat das Drama ein Ende und es kehrt Ruhe ein …
Wir lassen uns beide auf den Boden fallen und sind völlig außer Atem. Ich will gerade etwas sagen als mir ein gelber Punkt in der Flussmitte auffällt. Es dauert weitere Sekunden bis ich realisiere was da passiert ist. Meine erste Rute, die ich nach dem „Abriss“ auf den Boden gelegt hatte, war wohl doch nicht abgerissen und wurde von dem Schiff mitgezogen. Da der gelbe Punkt aber nun merklich mit der Strömung abtrieb, musste das Schiff die Schnur wieder verloren haben. ZUM GLÜCK! In diesem Moment drehten sich all meine Gedanken um den Verlust meiner geliebten NAZGUL- Rute. Ich springe ins Schlauchboot und fahre dem Übel entgegen.
Um den kleinen Punkt in der Dunkelheit nicht zu verlieren, lasse ich meine Kopflampe aus und fahre hinaus auf den Fluss. Wirklich Hoffnung, die verlorene Rute wiederzubekommen habe ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Ich kann mich dem kleinen Licht nähern. Ist das vielleicht nur noch das Knicklicht, das unter der Wasseroberfläche abtreibt oder ist da auch noch die Rute dran? Endlich, ich habe die Gewissheit. Sie ist noch da. Ich ziehe die Rute ins Boot und der folgende Freudenschrei wäre bei einer erfolgreichen Bootslandung von einem fetten Silure nicht lauter ausgefallen. Am Ufer stellte sich heraus, dass die Rute völlig unversehrt diese Tortur überstanden hatte. Ja sogar Schwimmer und Montage waren noch dran.
Patrick hatte es leider schlimmer erwischt …
Er hatte zwar keine Rute verloren aber bei genauerem Hinsehen bemerkten wir, dass seine Spulen fast leer waren. Und nun??? Ein unglaublich taubes Gefühl machte sich breit. Alles war doch so perfekt. Der tolle Abend, die aktiven Köderfische und das gute Gefühl genau am richtigen Platz zu sitzen.
Alles vorbei, wir sitzen über einem Haufen von Schnursalat, entwurzelter Rutenhaltern und verdrehter Montagen. Vielleicht sind es aber gerade solche Gefühle, diese Momente unendlich großen Leids, bzw. der Umgang mit solchen Situationen, die einen als Fischer wirklich weiter bringen. Aufstehen und weiter machen, egal wie viel Arbeit und Mühe es kostet.
Zum Glück hatte ich genügend Ersatzschnur bei mir und wir konnten Patricks Rollen wieder füllen. Danach einigten wir uns darauf, die Ruten wieder rüber zu spannen. Nicht nochmal sollte uns ein Kahn überraschen. Wir beschlossen abwechselnd Wache zu halten, um im Falle eines Falles reagieren zu können. Während ich jetzt darüber nachdenke, wird mir sehr deutlich, wie fahrlässig wir in den Nächten davor gehandelt hatten. Keinen Gedanken an die Berufsschifffahrt und daran, dass in der Nacht ein Schiff kommen könnte.
In dieser Nacht schliefen wir …
also abwechselnd im Stundentakt. Eine wirklich knochenharte Angelegenheit aber wir wollten uns auf keinen Fall auf einen weiteren Wettstreit mit einem Stahlriesen einlassen. NEVER! Gegen 4 Uhr in der Nacht entschieden wir völlig übermüdet jetzt noch 2 Stunden gleichzeitig zu schlafen, um dann im Morgengrauen die Ruten abzureißen.
Ich fiel sofort in einen Tiefschlaf und ich glaube Patrick war schon während dem Hinlegen eingeschlafen. Völlig ausgebrannt. PIIIIIEEEPPPP!!!! Ich reiße die Augen auf und sehe wie meine rechte Rute zum Halbkreis gebogen im Rutenhalter mehr hängt als steht und der Taffi verschluckt sich immer wieder.
Er kann diese heftige Attacke nicht bewältigen und verfällt in einen Dauerton. BISS??? Ich sehe erneut den hell beleuchteten Fluss und realisiere, dass wir gerade richtig gefi… werden. Wieder ein Schiff und diesmal so schnell, dass wir kaum noch reagieren können. Die Rollen schreien um ihr Leben und ich beende ihr Leid, indem ich die Schnüre einfach durchschneide. Auch diese Schlacht war somit verloren und uns blieb nix anderes übrig, als innerhalb weniger Stunden mit einer zweiten, heftigen Niederlage umzugehen. Und wir haben das geschafft.
Solche Situationen braucht eigentlich kein Mensch aber sie gehören irgendwie dazu. Die Beziehung zu seinem Angelpartner wird dadurch unweigerlich und ungewollt auf eine harte Probe gestellt. Wenn da nur ein Hauch von unausgesprochener Unstimmigkeit im Argen liegt, führt dies in solchen Momenten ganz sicher zu einer Explosion. Aber nix von alledem ist passiert. Patrick und ich haben es geschafft, die Sache einfach so hinzunehmen und daraus keine Schuldzuweisungen zu entwickeln. Diese Nacht stellt neben zwei Kontrollen aber zum Glück das absolute Negativhighlight für diesen Trip dar und dieses wird von vielen schönen Momenten mehr als Wett gemacht.
Wir fischten inmitten einer traumhaften Flusslandschaft …
Jeder Sonnenauf- und -untergang hatte locker das Potential für einen schnulzigen Liebesfilm die Hintergrundkulisse zu bilden. Das Licht und die dadurch entstehenden Eindrücke in der Camargue sind so einzigartig und unbeschreiblich schön, dass ich das hier und jetzt einfach so stehen lasse.
Anglerisch stellt der Herbst in einem stark befischten Wasser wie der Petite Rhone besondere Anforderungen an den Fischer. Die Fische werden schon monatelang mit nahezu gleichen Methoden befischt und das macht das hungrigste Welsmaul sehr sensibel. Wir mussten viel ausprobieren und die konventionelle Art der Fischerei, nämlich das ufernahe Abspannen mit großen Köderfischen, brachte mit Abstand die wenigsten Aktionen. Dezent präsentierte Weißfische, oftmals an ganz unscheinbaren Plätzen, waren hingegen wesentlich besser. Daraus resultierte das tägliche, konzentrierte Feedern, um einen guten Vorrat dieser Topköder anzulegen. Eine sehr reizvolle und spaßige Aufgabe.
Ein Hauch von Mystik und kaltem Schauer …
vereinnahmt mein Inneres völlig und hilft mir dabei meinen Wagen in Richtung Süden sicher in der Spur zu halten als ich an einen ganz besonderen Höhepunkt der Reise an die kleine Rhone denke. NEBEL … überall war NEBEL. Wir fischten nie länger als zwei Nächte an dem gleichen Spot und für diese Nacht hatte ich einen Platz mit besonders viel Unterholz sowohl am gegenüberliegenden Ufer aber auch direkt vor den Füßen ausgesucht.
Hier roch es förmlich nach Wels und am Ufer war aufgrund der schwierigen Begehbarkeit keine Spur von anderen Fischern zu finden. Ein klasse Platz. In gewohnter Manier waren alle Ruten mit dem Einbruch der Dunkelheit präsentiert und wir harrten der Dinge, die kommen würden.
Innerhalb weniger Minuten kam Nebel auf, der so dicht wurde, dass wir unsere Augen auf „ganz scharf“ stellen mussten um den freien Blick zu den Knicklichtern an den Rutenspitzen zu erhalten. Nebel und völlige Stille gepaart mit dem zeitweisen Klingeln der Aalglöckchen machten uns beide sprachlos. Noch im Hellen hatten wir das Auslegeboot so platziert, dass wir im Falle eines Anbisses sofort hineinspringen und losfahren konnten, denn an diesem Platz hätte ein Drill vom Ufer ganz sicher zum Fischverlust geführt. PLATSCH ….. PLATSCH ….. SCHMATZ!!! „Das war ein ganz großer“ kommentierte ich das, was uns am gegenüberliegenden Ufer geboten wurde. Sie waren da und diese Tatsache machte die ohnehin schon große Spannung nur noch größer. Kein Thriller dieser Welt schafft es einem passionierten Welsfischer so zuzusetzen, wie massive Raubgeräusche in der Nacht an einem Großfischgewässer. Mehr geht nicht. Gänsehaut pur aber sehr geil.
Die meiste Aktion hatte meine flussaufwärts abgespannte Rute mit einem Aal …
Hier stand die Rutenspitze niemals still und es schien sich nur noch um Minuten zu handeln, bis dieser geholt würde. Unser Blick hing fest an dieser Aktion. Ein mächtiger Schlag in diese Rute mit anschließender völliger Ruhe brachte die Gewissheit von einem Fehlbiss. Typisch Aal eben. Während ich noch damit haderte durchbricht ein einsames, einziges Pipsen eines Taffi`s die Stille der Nacht. Wo war das??? Unsere Blicke eifern um die Wette. Volltreffer. Meine rechte Rute neigt sich fast im Zeitlupentempo nach vorne.
Es ging nur noch in eine Richtung und zwar nach vorne. Weiter und immer weiter. Zwei kleine Brassen am Einzelhakensystem hatten ihre Jokerrolle glänzend ausgespielt. Ich nehme die NAZGUL aus dem Rutenhalter. Einen kleinen Moment warte ich noch, bis ich konstanten Zug fühle. ANSCHLAG. Ich schlage noch zwei Mal nach, um den Haken wirklich sicher ins Welsmaul zu treiben. Er hängt und innerhalb weniger Sekunden ist mir klar, dass ich es mit einem Rhonebullen als Gegner zu tun habe.
Jetzt muss alles ganz schnell gehen ohne Fehler zu machen, die durch überhastetes Vorgehen passieren können. Im Schein der Kopflampe zieht uns der Fisch problemlos hinaus aufs freie Wasser und er macht uns ganz schnell deutlich, dass er derjenige ist, der hier sagt wo es lang geht. Zwei Männer auf einem 220cm Schlauchboot bei Nebel und völliger Dunkelheit im Schlepptau einen großen Wels ist eine wirklich krasse Erfahrung. Ich sitze in der Bootsspitze und versuche die wütenden Attacken des Fisches so gut ich kann zu parieren. Immer wieder wechselt er die Richtung und die Angst diesen Fisch zu verlieren sitzt mit uns im Boot.
Wer schon einmal von einem Schlauchboot gedrillt hat …
weiß dass man wesentlich weniger Druck auf den Fisch ausüben kann, als von Land. Wir drehen uns mit dem Boot mehrmals um die eigene Achse und nach ein paar Minuten haben Patrick und ich völlig die Orientierung verloren. Wir wissen nicht mehr wo sich das Ufer befindet und der Fisch scheint von dieser Orientierungslosigkeit seiner Gegner zu wissen. Er schießt immer wieder unter das Boot und ich muss mit der NAZGUL diese wilden Fluchten parieren. Blasen steigen auf und dann klatscht ein mächtiger Wallerschwanz auf die Wasseroberfläche. Das Ganze macht er mehrmals hintereinander. Ein wirklich wilder und gnadenlos kämpfender Fisch. Dann durchbricht er mit seinem massigen Körper das strudelnde Wasser. Ich wittere meine Chance. Jetzt kommt Patricks Part.
Ich öffne ein wenig die Bremse der Rolle und dann packt mein Angelpartner zu. Beherzt greift er in das weit geöffnete Welsmaul und seine Hand sitzt auf Anhieb wie angeschweißt. Ich greife ebenfalls hinein und gemeinsam ziehen wir den Fisch auf uns. Sein Körper bedeckt uns völlig und für ein paar Sekunden ist es ganz still…wir treiben einfach nur mit der Rhoneströmung und dann bricht es aus uns heraus. Wir schreien und klatschen uns ab. Freude pur. Ich starte den Motor auf halber Fahrt, um nicht unnötig viel Wasser ins Boot schwappen zu lassen. Wir begeben uns auf die Suche nach unserem Angelplatz. Zum Glück hatte ich das Searchlight an meinem großen Boot am Ufer angemacht und so konnten wir dann doch recht gut zurück finden, nachdem wir uns ein wenig orientiert hatten.
Nach dem Versorgen des Fisches bringe ich die Erfolgsrute natürlich wieder raus …
und dann ist Party angesagt … soweit man zu zweit im Nebel, völlig übersät mit Wallerschleim von Party sprechen kann. Aber es gab zumindest einen Havanna-Cola. Viel Zeit zum Freuen blieb uns nicht, denn es ging Schlag auf Schlag weiter. Immer wieder attackierten die Waller im Fressrausch unsere Köder und immer wieder mussten wir aufs Boot, um die Fische zu bezwingen. Diese Nacht brachte 5 Fische und gegen 6 Uhr morgens war auch Patrick endlich an der Reihe. Sein Fisch war der Größte der Tour … ein wirklich beeindruckender BIG ONE. Es hatte einfach alles gepasst. Eine blutrote Sonne ging dann über der Rhone auf und vertrieb langsam den kalten Nebel. Sie trocknete unsere nassen Klamotten und verkrustete den Wallerschleim, der nach dieser Nacht wirklich überall zu finden war.
In Gedanken sehe ich gerade meinen größten Fisch dieser Nacht im smaragdgrünen Wasser der Petite Rhone davon schwimmen, als mich eine verschlafene Stimme zurück ins aktuelle Geschehen auf der Autobahn in Richtung Süden holt. „Wie lange is es denn noch ???“ Patrick war aus seinen Träumen erwacht und somit hatte mein Gedankenkino erst mal ein Ende. „Ist nicht mehr weit“, antworte ich ihm. Nach einem Kaffee auf der Raststätte „Aere de was weiß ich“ nehmen wir die letzten Kilometer zu unserem Winterplatz an der großen Rhone in Angriff und sehen in weiter Ferne die Sonne aufgehen.
Bereits am zweiten Platz den wir anfahren …
habe ich genau das Gefühl, das ich brauche. Der Platz sieht klasse aus. Durch das Hochwasser hat sich ein riesiges Rückwasser gebildet und ich weiß, dass wir hier Gewässertiefen zwischen 2 und 10 Meter haben. Der perfekte Winterstandort. „Wir fischen Bojen“ sage ich zu Patrick und dann war Arbeit angesagt. Köderfische versorgen, Auto ausräumen, Gewässer erkunden, Bojen setzten, Ruten montieren und dann rausfahren. Nach 3 Stunden war alles erledigt und so hatten wir gegen 13 Uhr alle Fallen gestellt. Nun war Zeit um in Ruhe unser Lager herzurichten und ein Feuer anzuzünden. Eine sehr wichtige Sache bei der Winterfischerei. Die Tage sind zwar recht angenehm aber sobald die Sonne gegen 17 Uhr verschwindet, wird es saukalt.
Ein Feuer ist prima und macht für mich den besonderen Reiz der Winterfischerei mit aus …
und irgendwann waren wir dann wirklich mit allem fertig und dann war Entspannung angesagt. Eine Wintergrillung Ende Dezember am Ufer der großen Rhone gepaart mit der Gewissheit, dass jeden Moment der 2++ einsteigen kann, ist so etwas Besonderes, dass ich mir das in jenen Momenten ganz bewusst gemacht habe und das erfüllte mich mit reiner Freude. Jetzt fehlte nur noch ein Fisch, um die Sache perfekt zu machen. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, ob ich mit meiner Platzwahl und Strategie richtig lag. Einzig und alleine mein gutes Gefühl war unverändert da.
Winterfischerei ist sehr speziell. Zum einen halten sich die Fische an anderen Standplätzen auf, als in den wärmeren Jahreszeiten und auch ihr Verhalten passt sich stark den kalten Wassertemperaturen an. Wir hatten unter der Oberfläche 7,5 Grad und es war davon auszugehen, dass mögliche Fressphasen sehr kurz ausfallen und dass die Fische nicht jeden Tag Nahrung zu sich nehmen. Es kann sehr gut sein, dass man genau am richtigen Platz sitzt und auch die Köder bestens präsentiert. Aber der ersehnte Biss bleibt aus, weil der Waller sich in einer Art Winterstarre befindet.
Irgendwann aber wird aus dem versteinerten Riesen dann doch eine gierige Fressmaschine und die Barteln stellen sich langsam nach vorne. Dann geht alles ganz schnell und innerhalb weniger Sekunden attackiert er heftig unseren Köder. Und genau solche Aktionen erhoffte ich mir. Alles kann passieren aber ebenso kann auch gar nix passieren. Spannung pur!
Wir hatten neben Forellen und Karpfen …
auch noch ein paar Aale dabei, um auf wirklich alle kulinarischen Vorlieben unserer schleimigen Freunde eingehen zu können. Und so konnten wir an unseren Ruten die bunte Vielfalt anbieten. Es wurde dunkel aber an unseren Ruten herrschte leider konstante Ruhe. Kein Klingeln und keine Aktivität. Die Wasseroberfläche erschien wie Tod zu sein und das machte mir ein wenig Sorgen. Trotz Feuer war es mächtig frisch und die Überlegung dann auch bald ins Bett zu gehen machte sich in meinem Kopf breit. Ich machte mir noch eine Wärmflasche, um den Schlafsack etwas vorzuheizen.
Während das Wasser im Kochtopf so langsam in Wallung kam, ging mein Blick in Richtung der Ruten. „Jetzt könnte doch wirklich mal einer beißen!?“ sage ich auffordernd. Und wie mit Zauberhand sprach auf einmal ein TAFFI mit uns. PIEEPPP. Das war wirklich krass. Ich hatte meinen Satz gerade zu Ende gesprochen, als wirklich der ersehnte Biss kam. Meine Aalrute zuckte hektisch nach vorne aber leider war die Aktion vorbei bis ich an der Rute war. Patrick war mir interessiert gefolgt und so standen wir beide da und starrten gespannt auf die Rutenspitze. „Der kommt gleich nochmal“ flüsterte er mir zu.
Und auch diesmal konnte er diesen Satz kaum zu Ende sprechen, als meine ganz rechte Rute, die ich einfach mit U-Pose in Ufernähe abgelegt hatte, mehrmals nach vorne gerissen wurde. Sofort nehme ich sie auf, warte noch kurz und setze dann einen beherzten Anhieb … NIX! Kein Kontakt … AB! Unglaublich. Ich hatte innerhalb weniger Minuten zwei Bisse und war zweimal nur zweiter Sieger. Das kann doch nicht sein.
Von früheren Wintertrips hatte ich die Bisse als sehr entschlossen und brachial in Erinnerung …
Die Fische hingen immer sicher, meist mit 2 Haken. Diesmal war alles anders. Ich musste mich kurz sammeln, bevor ich mich aufraffte, die eine Rute wieder rauszufahren und die andere Rute zu kontrollieren. So ist es beim Fischen. Vor ein paar Minuten war ich in Gedanken schon in meinem Schlafsack und jetzt war ich dabei bei völliger Dunkelheit und nasskalten 2 Grad in Richtig Strömungskante zu steuern. Die Fahrt hinaus in die braunen Fluten mit der Strömung als Gegner ist sehr beeindruckend. Eine sehr spezielle Mischung aus Respekt, Faszination und Konzentration begleiten mich bei dieser Mission. Als ich zurück bin, geht es aber sofort in die Falle und der aufkommende Wind zeigt mir, dass ich mit dieser Entscheidung sehr richtig gelegen habe.
Der Wind wurde in dieser Nacht immer heftiger, überall klingelte es …
Immer wenn eine Windböe gegen das Bivvy prallte, gab es einen dumpfen Schlag. An einen ausgewogenen und erholsamen Schlaf war demzufolge nicht zu denken. Ich lag lange in diesem ekelhaften Halbschlafzustand, bei dem man zwar wach ist aber immer wieder kurz einnickt, bis man dann von dem nächsten Geräusch wieder wach gemacht wird. Und so ging es eine ganze Weile.
Gegen 23 Uhr knallte dann ein riesiger Ast auf den Boden, der sich durch den Wind von einem Baum gelöst hatte. Jetzt war ich wieder hell wach. Plötzlich nehme ich ein mehrmaliges Piepsen des Taffis wahr. Was ist das denn jetzt, frage ich mich??? Diese Frage beantwortet sich sehr schnell von selbst, denn meine NAZGUL wird sehr langsam aber stetig nach vorne gezogen. BISS, BISSS; BISSSS!!! Ich springe aus dem Bett und setze sofort in den Vorzug den Anschlag. FISCH, er hängt. „Patrick, ich hab einen!“.
Patrick ist sofort hell wach …
Dieser Adrenalinschub lässt mein Herz fast überschlagen und ich muss mich kurz in der Nacht orientieren. Der Fisch hat tiefes Wasser unter sich und gibt sofort Vollgas. Immer wieder zwingt er mich in die Knie und reißt Schnur von der Rolle. Das kann kein kleiner sein! Jetzt muss ich irgendwie die steinige Böschung hinunter ohne hinzufallen. Also volle Konzentration. Es geht gut und nun kann ich mich voll meinem wütenden Gegner widmen.
Immer wieder schnellt dieser in die Tiefe. Ein geiler Drill und mir ist in diesem Moment nicht mehr kalt. Irgendwann werden die Fluchten kleiner und ich weiß, dass es bald vorbei ist. Im Schein unserer Kopflampen erhaschen wir einen ersten Blick auf den Fisch. Eine Winterbombe. Geil. Beim zweiten Versuch kann Patrick den Fisch sicher greifen und wir leinen ihn bis zum Morgen an. Geschafft, ich habe meinen Winterwaller.
Ab diesem Moment war der Rest des Trips …
für mich nur noch eine „Kürveranstaltung“. Mein Wunsch nach einem Winterfisch war erfüllt. Nachdem ich die Rute wieder angebunden habe, sitzen wir noch kurz zusammen und nehmen ein „eiskaltes“ Bier, Dann verkriechen wir uns wieder in die warmen Nester. Am nächsten Morgen ist es völlig windstill und ein blutroter Himmel eröffnet den neuen Tag an der Rhone. Gegen 9 Uhr kommt dann meine Zugabe. Ich kann an der gleichen Rute wie in der Nacht noch einen kleineren Winterwaller bezwingen. Unglaublich. Somit hatte ich in nicht mal 24 Stunden 4 Bisse und 2 Fische und darunter ein wirklich guter Fisch.
Das Tageslicht zeigt, dass dieser ein sehr ungewöhnliches Exemplar ist. Solch einen Körperbau hatte ich vorher noch nicht gesehen. Ein relativ kleines Maul, dann ein riesiger Buckel und ein kugelrunder Bauch. Zum Schwanz hin war der Fisch eher schlank. Auch die Farbgebung war eine absolute Seltenheit. Teilweise, große weiße Flecken und dann wieder ganz fein gesprenkelte Partien wechselten sich ab. Auf seine Weise ein wunderschönes Tier.
Nach solch einem Einstieg in die Session war für uns klar …
dass wir noch einige Fische fangen werden. Es sollte nur eine Frage der Zeit sein und wir waren auf alles vorbereitet. Aber es war wie so oft. Wenn man sich sicher ist, wird man durch Petrus oft vom Gegenteil überzeugt. 2 Tage und 2 Nächte passierte an unseren Ruten rein gar nix mehr. Keine einzige Aktion. Ich versetze meine Bojen und variierte die Tiefen. Erfolglos. Es brachte alles nix. Am vorletzten Tag besuchte uns Thomas Flauger am Wasser, mit dem ich mich verabredet hatte. Er kennt dieses Wasser wirklich sehr gut und konnte den Verlauf unserer Fischerei auch nicht ganz verstehen. Aber so ist eben Winterfischen. Er gab mir den Rat für die letzte Nacht an einen Topspot zu wechseln.
Er war sich sicher, dass dort im „Epizentrum“ ganz sicher noch was geht. Gesagt, getan. Wir zogen um. Am neuen Platz konnten wir ganz simpel mit U-Posen in der Strömung fischen. Nach der Bojenschinderei eine sehr willkommene Abwechslung. Gegen 14 Uhr waren die Ruten wieder im Wasser. „Die Arbeit wird sicher belohnt“, flachsten wir und für die letzte Nacht stellte sich wieder das gute Gefühl ein, das ich beim Fischen brauche.
Ich nehme es vorweg, die Waller wollten nicht mehr …
Es passierte nix mehr. Am Freitag, dem 30.12. packten wir gegen 15 Uhr unsere Sachen zusammen und rissen für das Jahr 2011 zum letzten Mal unsere Ruten ab. Aber von Enttäuschung, keine Spur. Im Gegenteil. Ich hatte mein Ziel mehr als erreicht. Nachdem das Auto beladen war, gingen wir ein letztes Mal hinunter zum Fluss um Abschied zu nehmen. Wortlos saßen wir minutenlang einfach nur da. Ich habe zu diesem Fluss eine besondere Beziehung und fühle eine starke Verbindung. Manchmal kommt es mir so vor, als ob ich dieses Wasser aus einem vorherigen Leben kenne. Ich komme wieder … ganz bald!
Es ging nach Hause und auf dem Schild an der Autobahn stand Lyon 258 km. Die Ereignisse wiederholten sich. Nur eben in eine andere Richtung. Mein Angelpartner und meine Hunde schlafen und ich bin alleine mit der Straße und meinen Gedanken. ZUFRIEDENHEIT und DANKBARKEIT sind mit mir. Ich fahre heim mit der Gewissheit wieder einmal am Ziel zu sein. Ein geiles Gefühl. In jedem Ende steckt ein neuer Anfang und so plane ich schon auf der Rückfahrt die nächste Reise in den Süden.