Wenn jetzt Sommer wär … von Johannes Martin
Verschlafen öffne ich meine Augen …
Ich schaue mit starrem, orientierungslosen Blick in Richtung meiner abgespannten Ruten. Das erste Tageslicht hat mich geweckt. Obwohl der Ausdruck Tageslicht übertrieben ist. Durch den mit Wolken verhangen Himmel bahnen sich kaum Sonnenstrahlen ihren Weg. Im Zusammenspiel mit dem leichten Nebel, der in der Luft liegt, bildet sich daraus eine sehr triste Stimmung. Alles ist klamm und kalt.
Ein leichter Windzug, der die über mir hängenden Äste ins Wanken bringt, lässt einige dicke Wassertropfen auf meinen Shelter prasseln. Die Wärmflasche, die mir im Laufe der Nacht eine wohlige Temperatur in meinem Schlafsack verschaffte, verdient ihren Namen mittlerweile auch nicht mehr. Sie ist komplett kalt.
Bisse gab es in der vergangenen Nacht keine …
nichts, nicht einmal eine Attacke. Beim Gedanken an den gleich bevorstehenden Abbau meines Nachtlagers fällt mir auf, dass sich die Motivation ziemlich in Grenzen hält. Man könnte fast sagen, dass ich überhaupt keinen Bock habe. Um mich herum hat sich seit Beginn des Ansitzes alles in eine aufgewühlte Schlammwüste verwandelt. Der aufgeweichte Boden und die Beschaffenheit des Angelplatzes, werden den Abbau zur echten Kraftprobe werden lassen. Neben meiner Liege erblicke ich meine Wathose. Ihr Anblick und der Gedanke daran gleich dort hinein zu müssen veranlassen mich dazu das Einpacken nach hinten zu verschieben und im wahrsten Sinne des Wortes auf besseres Wetter zu warten.
Ich rede mir ein ich sei noch müde und könne deshalb noch ‘ne Runde schlafen, während ich mich wieder in meinen Schlafsack verkrieche. Doch das funktioniert natürlich nicht. Stattdessen stelle ich fest, was für eine undankbare Fischerei das momentan ist. Alles ist viel aufwendiger als in den wärmeren Monaten und der Lohn, bleibt oft aus.
Der Extraaufwand beginnt bereits beim Tackle …
Reichen im Sommer die Liege und eine leichte Decke völlig aus, um die Nacht bequem zu verbringen, kommt man nun am Schirm und einem dicken Schlafsack nicht mehr vorbei. Niederschlag und Temperaturen im Minusbereich nehmen uns die Leichtigkeit des Sommers.
Ich schweife weiter ab und ich merke wie in mir die Vorfreude auf den Sommer heranwächst. Klar, man versucht aus jeder Jahreszeit immer das Beste zu machen und sicherlich hat jede Jahreszeit auch ihre Vorzüge und Besonderheiten. Allerdings ist für mich nach wie vor der Sommer die Highlight-Zeit des Jahres.
Es gibt einfach nichts Geileres als in einer lauen Sommernacht hinter den munter wippenden Knicklichtern zu sitzen, dem zu Lauschen, was Grillen und Frösche uns akustisch bieten und dabei gespannt auf eine Aktion zu warten.
In solchen Nächten findet man oft wenig Schlaf …
Mal wegen der Stechmücken, die sich in Massen über unser Blut hermachen, mal ist wegen der Aktion die rund um unsere Köder herrscht. Solche Nächte, in denen vom Wetter, über die Geräuschkulisse und die Rahmenbedingungen, bis hin zur Aktivität der Fische alles 100% passt, verleihen dem Ansitz immer etwas ganz besonderes. Ein Gefühl, welches in keiner anderen Jahreszeit so stark spürbar ist. Es ist, wie ich in einem anderen Bericht mal geschrieben habe fast wie eine Art „Magie“, die uns dann umgibt und sich erst wieder löst, wenn die ersten Sonnenstrahlen den Weg über den Horizont finden.
Die Spannung in solchen Momenten ist so extrem wie nie. Überall kann jederzeit alles passieren. Ständig schlägt irgendwo ein Glöckchen aus, weil die Köderfische wild ihre Kreise ziehen. Der Adrenalinspiegel ist dabei ständig auf Anschlag.
Ein anderer typischer „Sommer-Bonus“ sind die vereinfachten Abläufe …
Kommt beispielsweise ein Biss, muss man sich anders wie im Winter nicht erst von unnützer Kleidung trennen, um dann in die Wathose zu steigen, sondern kann zur Landung ohne zu überlegen ins Wasser steigen, um den Fisch zu greifen. Man ist ja eh meist barfuß unterwegs und die kurze Hose ist sowieso am Start. Die lange, schwere Kleidung in mehreren Schichten, die im Winter unser ständiger Begleiter ist, liegt zuhause im Schrank.
Aber nicht allein der Umfang …
der Kleidung ändert sich. Schirm und dicker Schlafsack liegen ebenfalls im Tacklekeller. Niederschlag ist im Sommer ja ohnehin meist nicht angesagt und falls doch, reicht das Sleeping-Cover, welches wir als Ersatz für den Schlafsack dabei haben. Die Plätze für die vollgestopfte Kleidertasche und den großen Schlafsack bleiben im Kofferraum unbesetzt. Und so wird selbst das Ein- und Auspacken zur Kleinigkeit, weil man immer das Gefühl hat nur die Hälfte dabei zu haben.
Haben wir es dann tatsächlich geschafft …
in einer der magischen Nächte einen Summer-Silure zu bändigen, wird auch die Fotosession im Wasser zu einem echten Vergnügen. Während uns Temperaturen am Tiefstpunkt im Winter oft die Zähne zusammenbeißen lassen und für verkrampfte Gesichtsausdrücken auf den Pics sorgen, kommt das Bad im kühlen Nass nun genau richtig.
Meist sitzt man nach dem Releasen dann sogar noch länger gemeinsam da, genießt die erfrischenden Temperaturen und besiegelt den Fang mit einem wenigstens halbwegs kühlen Wallerbier.