Welsfieber … von Sven Dombach
Bei den im Moment herrschenden …
konstanten Wasser- und Wetterbedingungen war für mich klar, dass ich meine Taktik für den anstehenden Ansitz nicht ändern muss. Die letzten Besuche am Wasser brachten viele Bisse und auch einige schöne Fische.
Also war auch diesmal ein Flachwasserbereich mit ordentlich Strömung meine erste Wahl. Seit Tagen plagt mich eine verdammte Grippe und meine Frau erklärt mich für komplett verrückt, als ich ihr sage, dass ich die Nacht am Wasser verbringen werde.
Dass ich überhaupt nicht fit bin, merke ich bereits beim Beladen meines Autos. Kalter Schweiß auf der Stirn und überhaupt kein Schmalz in den Armen. Na das kann ja was geben … Für das Verladen meiner E-Motor-Batterie brauche ich die Hilfe von meinem Angelpartner Patrick, der wie gewohnt pünktlich vor meiner Haustür steht. Irgendwann ist dann doch alles im Wagen verstaut. Diesmal bleibt das normalerweise übliche Wallerbier zuhause, stattdessen habe ich reichlich Schmerztabletten, Nasenspray, Lutschtabletten für den Hals und eine Großpackung Tempos im Gepäck.
Das Wort „Wallerfieber“ erhält in diesen Tagen …
eine ganz neue und weniger tolle Bedeutung aber die Leidenschaft schafft eben manchmal wirklich Leiden und so ging es dann los zu den Fischgründen. Patrick merkt, dass ich angeschlagen bin und er trägt unaufgefordert fast mein komplettes Tackle ans Wasser. DANKE DAFÜR! Den Duft meines Flusses kann ich an diesem Tag nicht riechen, da meine Nase ihre Arbeit vollständig verweigert. Sie ist einfach nur dicht.
Wir sind früh genug und so müssen wir uns gar nicht beeilen …
Mit viel Ruhe und einigen Pausen richten wir unsere Rutenhalter aus, stecken die NAZGUL zusammen, binden Vorfächer, und auch das Ausbringen der Ruten geht sehr gut von der Hand. Die Fallen sind gestellt und ich habe was das Fischen angeht ein gutes Gefühl. Unsere Ruten sind ans andere Ufer gespannt, denn dort befindet sich in einer kleinen Außenkurve eine ausgespülte Rinne. Eine meiner Ruten habe ich allerdings ca. 100 Meter flussab mit einer Steinmontage abgelegt.
Hier hat mir das Echolot eine kleine Kante von 1m auf 1,70m angezeigt und ich bin mir sicher, dass das eine markante Stelle darstellt. Jetzt müssen nur noch die Bedchairs aufgestellt werden und dann ist die Arbeit getan. Trotz 20 Grad Außentemperatur sitze ich bereits gegen 20 Uhr mit Mütze und dicker Fleecejacke neben Patrick, der barfuß in kurzer Hose und T-Shirt gegen die frisch eingetroffenen Stechmücken kämpft. Alles hat eben seine Vor- aber auch seine Nachteile.
Ein heißer Tee wärmt mich von innen und lindert für kurze Zeit meinen Hustenreiz und so kann endlich Ruhe einkehren. Wir sprechen über unseren geplanten Trip an den Po im Juli und sind gerade dabei eine Liste aufzustellen, wer welche Dinge zu besorgen und mitzubringen hat, als ein unglaublich lautes Geräusch unsere Konzentration unterbricht.
Nochmal, da ist es wieder … was ist das ???
Das ist wirklich das Allerletzte!!! EDDIE!!! Mein Hund hatte sich in gewohnter Manier ganz dicht zwischen meine Beine gelegt und weil er ja im Moment nix zu tun hatte, war er still und heimlich eingeschlummert. Und in diesem Zustand tiefster Entspannung hat dieses Vieh zwei „EDELFÜRZE“ in Richtung seiner Angelpartner abgeschossen, dass diese für kurze Zeit an ein Bombenattentat dachten.
Der dann folgende Geruch oder besser gesagt Gestank hat meine Nase in sekundenschnelle freigeschossen und so konnte ich das volle Aroma genießen. Danke Eddie!!!
Patrick ist ebenfalls Hundebesitzer und er fragt mich immer wieder was ich Eddie zu fressen gebe. Er sagt, sowas sei nicht normal und ich müsste mit dem Tier mal zum Arzt gehen. Ich werde mir das mal durch den Kopf gehen lassen.
Also, zurück zu unserer Liste für den Potrip …
Wir sind gerade bei der „Setzkescherfrage“ angekommen, als erneut ein Geräusch unser Tun unterbricht. Diesmal liegt der Ton in einer wesentlich höheren Frequenz und das ist gut so. Mein Glöckchen verrät einen Wels, der sich am anderen Ufer an meinem Köder zu schaffen macht. Die NAZGUL zuckt nach vorne und in diesem Moment schlägt der Wels bereits wütend an der Oberfläche das Wasser schaumig. Ich schlage sofort an ……. HÄNGT ………. AB!!! ……. SCH…!!!
Ich kurble die schlaffe Schnur ein und muss leider einsehen, dass ich in diesem Kampf nur zweiter Sieger war. Ich denke das war ein Kleiner. Das sind die Worte, die einem in so einem Moment den Frust etwas mindern. Nicht weiter darüber nachdenken und den Köder wieder ausbringen. Und so wird’s auch gemacht. Fünf Minuten später ist alles erledigt und wir sitzen wieder an unserer Tripplanung. Und diesmal schaffen wir es tatsächlich diese Arbeit zu beenden, ohne erneut unterbrochen zu werden. Weder von einem Furz, noch von einem Biss.
Es wird dunkel und ich beginne trotz dicker Kleidung zu frieren …
Ich will nur noch in den Schlafsack und mich gesund schlafen. Eine Wärmflasche soll dieses Vorhaben unterstützen. Gegen 23 Uhr liege ich dann endlich im Nest und die Wärmflasche macht ihrem Namen alle Ehre. Ausnahmsweise mache ich meinen Schlafsack von beiden Seiten zu und nehme damit in Kauf, dass ich bei einem Biss etwas länger brauche. Jeder setzt seine Prioritäten selbst und in diesem Moment war mir das Gefühl umfassender Wärme wichtiger als ein Schnellstart bei einem möglichen Biss.
Ich schlafe sehr schnell ein und beginne sofort zu träumen oder besser gesagt zu phantasieren. Eine Grippe ist für den Körper eine Extremsituation und an solchen Tagen macht auch das Schlafen nicht wirklich Spaß. Ich beginne zu schwitzen und drehe mich von der einen Seite auf die andere. Auf einmal sehe ich ROT … Kurz darauf bemerke ich, dass meine Augen geöffnet sind. Was ist das? Erst als ich realisiere, dass mein Taffi sehr übellaunig schreit und dass meine Rute brutal nach vorne gezogen wird verstehe ich, was gerade passiert.
BISS!!! Ich befreie mich aus meinem Schlafsack …
und greife meine Rute. In diesem Moment nimmt der Fisch schon Schnur von der fast vollständig geschlossenen Big Mama. Trotzdem schlage ich noch zwei-dreimal an, um den Haken sicher ins Fischmaul zu treiben. Erst jetzt wird mir klar, dass dieser Biss an der weit flussab gelegten Rute erfolgte. Also … der Plan ist aufgegangen. Ich freue mich. Ich gewinne endlich etwas Schnur und der Fisch kommt flussauf. Immer wieder schlägt er wütend in die Schnur und signalisiert somit, dass er auf diese Nummer hier überhaupt kein Bock hat.
Irgendwann haben wir ihn im Uferbereich und auch hier schießt er immer wieder davon. Ein wirklich toller Drill von einem sehr kräftigen Fisch. So muss es sein. Patrick steht neben mir und beobachtet ungläubig das Geschehen. Das ist ein Guter. Ganz sicher! Nach weiteren Minuten mit wilden Fluchten sehen wir den Bullen im Licht unserer Kopflampen und mein Eindruck hat mich nicht getäuscht. Ein sehr guter Fisch erweist uns die Ehre. PETRI HEIL!
In diesem Moment ist meine Grippe wie weggeblasen …
Mir geht’s gut. Sehr gut. Aber leider hält dieser Zustand nur für ein paar Minuten an und dann kehren die Leiden zurück. Also, schnell wieder hinlegen und versuchen zu schlafen. Vorher bringe ich aber meine Montage wieder raus. Das muss sein. Diesmal schaffe ich es nicht mal mich im Schlafsack aufzuwärmen. Ich hatte mich gerade hingelegt, als mein Taffi erneut mit mir spricht. Diesmal sehe ich grünes Licht. Also die Rute direkt gegenüber am anderen Ufer. Aufstehen, anschlagen, drillen, landen … fertig. Ein kleinerer Fisch. Der Angler freut sich. Petri Heil.
Und auch diese Rute fahre ich wieder raus, denn die Schnur muss nass sein. Also, mittlerweile laufe ich voll auf Autopilot und ich lasse „ihn“ einfach machen. Patrick erspart sich jeglichen Kommentar aber jetzt, wo ich hier sitze und schreibe, kann ich mir schon vorstellen, was er in diesem Moment gedacht hat ???
Gegen 1 Uhr lege ich mich wieder hin und …
auch diesmal schaffe ich es nicht mich aufzuwärmen, denn bereits nach wenigen Minuten wiederholt sich Geschehen an der gleichen Rute. Grüner Taffi, BISS. Vielleicht sollte ich einfach neben der Rute stehen bleiben!? Ich schlage an. NIX, kein Kontakt. Der Fisch hängt nicht und es wird still. Der Köder weist keine Bissspuren auf und fahre diesen wieder raus. Da kommt ganz sicher noch ein Biss. Da gibt’s keinen Zweifel.
Dieses Gefühl der Sicherheit ist den Welsen leider total egal und die folgenden Stunden brachten keinen weiteren Biss. Nix ist sicher. Der Fisch ist immer die große Unbekannte und was in manchen Momenten so leicht erscheint, wird kurz drauf wieder von der Realität geerdet. Und das ist gut so, darin liegt die Magie, die uns immer wieder ans Wasser treibt.
Gegen 8 Uhr morgens werde ich wach …
Nase zu, Hals schmerzt, Kopfweh und als ob das nicht schon genug wäre. Ich habe mir in dieser Nacht noch den Rücken verlegen. Optimale Voraussetzungen für die anstehende Fotosession. Wir bauen unser Lager ab und verstauen unser Tackle im Auto. Auch hierbei erweist sich Patrick wieder als toller Angelpartner. Er nimmt mir sehr viel Tragearbeit ab. Ich muss ja meine Kräfte schonen, um die Fische ordentlich zu halten.
Diese Fotosession war mit Abstand die schlimmste, die ich bisher erlebt habe. Die Arme sind leer, keine Kraft. Ich schwitze, huste und bin alles andere als entspannt. Leider überträgt sich meine Anspannung auch auf die Fische und das macht die Sache noch schwerer.