Verlängerung … von Johannes Martin
Als ich vor einigen Wochen …
in einem anderen Bericht von „ little steps to the autumn“ geschrieben habe, hätte ich nicht gedacht, dass ich zum jetzigen Zeitpunkt noch immer von Ansitzen unter solch herbstlichen Bedingungen berichten könnte. Es sind wirklich kleine Schritte, mit denen der Herbst auf den Winter zu dribbelt und so können wir in diesem Jahr wohl auf eine Verlängerung hoffen. Der einzige Unterschied zur Verlängerung, die wir vom Fußball kennen besteht darin, dass der Verlierer schon vorher feststeht: Wir Angler!
Im Fußball beendete über viele Jahre das „Golden Goal“ die Verlängerung und besiegelte so das Schicksal des Verlierers. Dies übernimmt in unserem Fall ein plötzlicher Temperatursturz und ein Einpendeln des Quecksilbers im „Tabellenkeller.“ Um dennoch alles Positive aus den uns verbleibenden „Spielminuten“ dieser Verlängerung mitzunehmen, heißt es noch einmal „Beißen, kratzen, treten“, wie man im Fußball sagen würde.
Samstagabend …
Ruppi und ich begannen den ersten Teil der Verlängerung und lagen gespannt wartend in unseren Schirmzelten. Es war bereits dunkel und es regnete seit Stunden. Der Angelplatz war komplett aufgeweicht, eine Mischung aus Matsch und abgefallenen Blättern verwandelte den Weg zu den Ruten in eine Rutschpartie. Die ca. 2,5 m hohe Böschung dahinter, über die man zum Boot gelangte, sah ähnlich aus. Schon beim Auslegen der Montagen war dort nur mit „Kralle machen“ Haftung zu finden, um sich dann auf allen Vieren den Abhang hochziehen zu können. Dementsprechend sahen wir nun auch aus. Auch am Wasserstand machte sich der Regen bemerkbar. Der Pegel stieg und das Wasser war zu einer braunen Brühe geworden – gut so…!
„Fritz-Walter-Wetter“, hätte man auf dem Betzenberg gesagt. Unter diesen Vorzeichen wurde schon so manch‘ großer Erfolg des FCK eingefahren und auch in einem gewissen Fußballspiel, das 1954 in Bern stattfand, führte besagter Fritz Walter seine Mannschaft bei „seinem“ Wetter zum Sieg. Ob dies nun auch „unser“ Wetter werden würde, musste sich erst noch zeigen. Unsere Aufstellung jedenfalls stimmte und unsere Köderfische machten schön Dampf auf den Außenbahnen, bis plötzlich einer der zentralen Mittelfeldspieler brutal umgesenst wurde und die Rute „Freistoß“ signalisierte. Wer Ruppi kennt weiß, dass er solche Freistöße in der Regel verwandelt und so glitt Minuten später ein halbstarker „Extra-time-Silure“ ins Schlauchi.
Nun gewann dieses Spiel so langsam an „Biss“ …
denn etwa eine halbe Stunde später folgte das nächste grobe Foul an meiner Karausche und ein Kampfschwein von Wels bat zum Zweikampf. Er strotzte vor Kraft und bot mir trotzig die Stirn. Ein ums andere Mal zog mir mein Gegenspieler Schnur von der fast geschlossenen Rolle. Doch irgendwann war auch er an seinem Konditionslimit angelangt, sodass Ruppi ihn greifen und ins Boot wuchten konnte. Da lag es, das nächste Highlight dieser Verlängerung!!! Pechschwarz war der Bursche, hatte einen sehr kräftig ausgebildeten Saum und eine schöne fette Wampe. Einfach eine richtig geile Drecksau! Die Versorgung des Silures übernahm Ruppi, derweil kümmerte ich mich um einen Auswechselspieler für meine aus Verletzungsgründen ausgeschiedene Karausche.
Es schüttet immer noch wie aus Eimern. Beim Ausbringen der Montage muss ich mir ständig den Regen aus den Augen reiben, um auf dem orange-leuchtenden Echolotbildschirm etwas zu erkennen. Irgendwo hier musste auch Ruppi‘ s Montage angebunden sein, also galt es doppelt aufzupassen. „So, nun sollte die Flucht soweit stimmen“. Langsam nähere ich mich dem heißen Bereich, gleich musste die Kante kommen…“Noch nicht…noch nicht… noch nicht…jetzt, da ist sie“. Ich schalte den Motor auf Leerlauf und versenke Stein samt Köder in den Fluten. Das Duo verschwindet im kaffeebraunen Wasser und ich manövriere mich zurück zum Ufer.
Zum Tagesabschluss brachte Ruppi die „Feldküche“ in Gang …
Rotkraut und Soßenfrikadellen standen auf dem Programm, da ließ ich mich nicht zweimal bitten! Nachdem die Töpfe geleert und unsere Mägen gefüllt waren, zog es uns so langsam in unsere Kojen. Eigentlich seltsam, denn die Uhr verriet, dass es noch nicht einmal 20.00Uhr war, trotzdem hatte man das Gefühl, es wäre Zeit zum Schlafen, weil es schon seit gefühlten 10 Stunden dunkel war. „Der Herbst ist eben doch eine ganz eigenartige und besondere Jahreszeit “, denke ich mir, als ich mich im Schlafsack verkrieche.
Die Regentropfen prasselten nach wie vor auf unsere Schirme nieder, mal mehr und mal weniger stark. Da ich zudem auch nicht wirklich müde war, lag ich noch eine Zeit lang wach und beobachtete die Knicklichter an den Rutenspitzen, die durch Treibgut und Strömung immer wieder langsam nach vorne gezogen wurden, um dann wieder in ihre Ausgangsposition zurückzukehren und dann das Ganze zu wiederholen. Irgendwann fielen mir aber dann doch die Augen zu und gingen erst wieder auf als das zurückkehrende Tageslicht am nächsten Morgen allmählich einen trostlosen Tag einläutete.
Die Aalglöckchen waren den Rest der Nacht stumm geblieben …
abgesehen vom typischen „Treibgutgesumme“, das entstanden war, weil unsere Leinen ordentlich Dreck gesammelt hatten. Wir nutzten die morgendliche Regenpause um unser Lager abzubauen und den Fisch abzulichten. Kurz darauf entließen wir unseren gebartelten Kollegen topfit dahin wo er hergekommen war, zogen das Boot aus dem Wasser und fuhren heimwärts.
Damit hatten wir den ersten Teil der Verlängerung dank einer 100% Chancenausbeute klar mit 2:0 für uns entschieden und konnten so diese „Bonusfische“ in unserem Fangbuch verewigen. Sollte dies evtl. doch an Fritz‘ Wetter gelegen haben? Schwer zu sagen. Was aber sicher ist, ist dass die Verlängerung nach wie vor läuft. Dies wird uns spätestens beim Blick auf‘ s Thermometer oder den Wetterbericht klar. Es bleibt also spannend und es wird interessant sein zu sehen, ob und wie viele „Tore“ noch fallen werden.
Klar ist aber auch, dass nur der ein Tor schießen kann, der auch gegen den Ball tritt. Heißt im Klartext, Tasche packen und rauf auf’ n „Sportplatz“, noch hat der Schiri nicht abgepfiffen!