Der Mantel des Schweigens
Der Mantel des Schweigens
Dass die Angelei auf Wels in der jüngsten Vergangenheit einen großen Zuwachs an Sympathisanten und Neulingen zu verzeichnen hat ist längst kein Geheimnis mehr. Man hat das Gefühl, die Zahl der Interessenten steigt täglich an, was grundsätzlich als sehr positiv zu bewerten ist. Wie so vieles, hat diese Entwicklung neben den zahlreichen positiven Aspekten allerdings auch ihre Schattenseiten.
Die logische Konsequenz der vergrößerten Anglerschaft ist der proportionale Anstieg des Befischungsdrucks an den Wels trächtigen Flüssen und Seen in In- und Ausland. Dies ist auf lange Sicht nicht zu vermeiden, darüber müssen und sollten wir uns alle im Klaren sein.
Was allerdings vermeidbar ist, ist die regelrechte Ausbeutung einzelner Gewässer. Ich formuliere es bewusst so hart, denn genauso hart ist auch die Realität. Aktuellstes Beispiel für diesen Sachverhalt ist ein mittlerweile sehr bekannter Fluss im Süden Frankreichs. Als ich gemeinsam mit Freunden im Jahr 2008 zum ersten Mal die Ufer dieses Flusses betrat, war es sofort um mich geschehen. Der beeindruckende Flusslauf, der sich durch die rustikale und zugleich wunderschöne Schilflandschaft gräbt, der Anblick der Wildpferde, die ungestört im hohen Sumpfgras zwischen Unmengen von Flamingos weideten und der einzigartige, typische Geruch dieser Gegend vermittelten mir unmissverständlich die Magie des Flusses und seiner Umgebung. Niemals hätte jemand von uns damals daran geglaubt, dass diese verlassene, unwegsame Landschaft irgendwann mal zum zwischenzeitlichen Wels-Mekka mutiert.
Die Realität zeigt allerdings ein anderes Bild. Keine 5 Jahre später ist der Fluss im Vergleich zu früher, ein Schatten seiner selbst. An nahezu jedem markanten Spot findet man freigeschnittene Schneisen in der nur scheinbar undurchdringlichen Ufervegetation. Die Erde dieser Plätze ist plattgetreten von unzähligen Anglerfüßen, die hier auf den ganz großen Coup hofften und am gegenüberliegenden Ufer ihre Spuren in Form von hängen gelassenen Reißleinen ebenfalls hinterließen. Wer genauer hinschaut entdeckt manchenorts Müllsäcke voller unschöner Überreste in den Büschen, oder direkt auf dem Angelplatz vergraben. Die verärgerten Einheimischen sind eine unausweichliche und für mich völlig nachvollziehbare Konsequenz, die zunehmende Präsenz der „Garde Peche“ ebenso. Die „Magie“, die diesen Fluss in der Vergangenheit ausmachte, ist längst verloren…
Einen ähnlichen Werdegang können auch andere ausländische Gewässer vorweisen. Auch sie standen eine Zeit lang im Fokus, bis irgendwann ein neuer Horizont publik wurde und die Scharen weiterzogen, auf der Suche nach dem ultimativen Fang. Was zurückblieb war und ist nahezu identisch mit der oben geschilderten Situation. Die Zeit wird zeigen, welches Gewässer als nächstes an der Reihe ist. Dass es jedoch ein nächstes, temporäres „Paradies“ geben wird, ist klar und was dann innerhalb kürzester Zeit mit besagtem Paradies geschieht auch.
Ich möchte mit diesen bewusst spitz formulierten Aussagen nicht auf den Schicksalen einzelner Gewässer rumreiten, denn darüber wurde in diversen Foren schon genug gesagt. Was ich damit erreichen möchte, ist vielmehr zum Nachdenken anzuregen. Ich will an das Bewusstsein eines jeden Einzelnen von euch appellieren, wenn es darum geht mit Informationen zu haushalten. Ist es denn wirklich nötig, immer zu erwähnen, an welchem Gewässer ein Fisch gefangen wurde? Genügt es nicht, einfach zu schildern, dass man im Ausland war? Sind Informationen wie Wassertemperatur, Fangtiefe, Montage, Wasserstand o.ä. zur jeweiligen Fangzeit nicht viel aussagekräftiger und wichtiger als ein Gewässername? Ist es nicht genau das, was den Reiz ausmacht – ein Gewässer selbst zu erschließen, zu ergründen, die Regeln herauszufinden und letztendlich zum Erfolg zu kommen? Ist nicht genau das die Passion und die Leidenschaft, von der wir immer alle reden?
Viele gute Gespräche zur geschilderten Thematik mit befreundeten Karpfen-Verrückten machten mir deutlich, dass wir die Antwort auf all diese Fragen vielleicht im Nachbarlager, bei den Karpfenanglern finden. Sie sind, was die Entwicklung ihrer „Szene“ angeht, schon ein gutes Stück weiter als wir Welsangler. Sie haben genau diese Gewässer-Runs schon hinter sich und haben, so scheint es zumindest, daraus gelernt. Heute finden sich nur noch wenige Autoren im Karpfen-Bereich, die ihre Gewässer offen nennen. Die Fang-Beiträge und Storys in den Foren fallen zwar informativ aus, allerdings fehlt oft die genaue Bezeichnung des Fangortes. Nicht ohne Grund. Die Carp-Anhänger haben viele ihrer Heiligtümer sterben sehen. Als Beispiel nannte man mir einen sehr prominenten französischen See, der jahrelang von tausenden Anglern beackert, beangelt, im wahrsten Sinne des Wortes vollgeschissen und vermüllt wurde, bis irgendwann der logische große Knall erfolgte. Nun gibt es Gesetze und die zugehörigen passenden Kontrollen, die das Angeln, wie es bisher stattfand, unmöglich machen. Und warum? Weil auch dort ein Heuschreckenschwarm gewütet hat, der bis zum letzten Grashalm nichts hinterließ, als geschundene Erde und ein angespanntes Umfeld. Nun wird der Schwarm weiterziehen, in die Richtung aus der es am lautesten hallt…
Doch nicht nur ferne Ziele, nein, auch das Wasser in unserer Heimat wird zum Schauplatz dieses Phänomens. Sobald die kleinste Information durchgesickert ist, ist man gezwungen neue, unerschlossene Wege zu gehen, es sei denn man möchte sich Woche für Woche Fights um die Plätze liefern, die dann gnadenlos belagert und ausgelaugt werden. Das Spiel beginnt von vorne…
Was den Informationsaustausch angeht, stehen wir als Zeitschrift natürlich nicht ganz unschuldig dar. Im Gegenteil. Auch wir tragen als Medium sicherlich eine Mitschuld daran, dass Gewässernamen gehypt werden, denn wir drucken die Zeilen derer, die es mit dem Infogehalt ihrer Werke, ohne bösen Hintergedanken, einfach zu gut meinen. Auch ich selbst kenne diese Euphorie nur zu gut und habe anfangs oft Gewässer-Informationen mitgeteilt, war mir dabei aber nicht im Klaren, was ich damit anrichtete. Nach einiger Zeit änderte ich dies, da ich schmerzlich erfahren musste, dass eine falsche Silbe am falschen Ort unschöne Folgen haben kann. Vielleicht müssen auch wir als Redaktion zukünftig mehr Fingerspitzengefühl entwickeln und die Autoren darauf hinweisen, ihre Euphorie und Offenheit etwas zu bremsen, um sich selbst und ihrem favorisierten Angelziel keinen Bärendienst zu erweisen.
Ich kann euch nicht sagen, ob meine Sicht auf diese Dinge zu engstirnig ist. Was ich jedoch noch loswerden möchte ist, dass das was ich schreibe definitiv nichts mit Fischneid oder Ähnlichem zu tun hat, obwohl man mit diesem gerne in Verbindung gebracht wird, sobald man den von mir dargestellten Standpunkt vertritt. Ich würde es vielmehr als einen Lerneffekt, oder eine Schutzreaktion beschreiben, der bzw. die dann eintritt wenn man den buchstäblichen Zerfall betroffener Gewässer miterlebt, Schritt für Schritt. Und jeder der meine Zeilen verstanden hat und von ähnlichen Erfahrungen berichten kann, wird das was ich hier schreibe richtig einzuordnen wissen.
Es geht nicht darum irgendjemandem die Schuld für etwas zu geben, es geht einfach darum, dass jeder Mal darüber grübeln sollte, ob er „seinem“ Gewässer, mit dem was er macht einen Gefallen tut. Dann kann jeder für sich entscheiden welchen Weg er einschlagen möchte, wobei aber berücksichtigt werden sollte, dass am Ende nicht immer das Paradies wartet.
Die Zukunft liegt in unseren Händen, denkt drüber nach…