Eine entspannte Frühsommersession
Freitag Nachmittag, 15.00 Uhr. Ich bin auf dem Weg zu Hannes…
Nach den Erlebnissen der letzten Session, bei der wir nach drei Tagen Fischen Schneider geblieben waren, plagen mich sehr gemischte Gefühle. Wird es diesmal besser laufen? Ich will keinen Regen, kein Hochwasser und schon gar keinen Schlamm. Ich habe riesig Lust auf eine entspannte Frühsommer Session!
Leider ist Welsfischen kein Wunschkonzert und der Blick aus dem Fenster meines Wagens erstickt meine Illusionen und Wünsche bereits im Keim. Es regnet Bindfäden und das Thermometer zeigt stolze, frühsommerliche 11 Grad, die sich anfühlen wie 5 Grad. Egal, wir haben drei Tage Zeit und es kann ja nur besser werden.
Hannes kommt mir entgegen und sein sonst vor Energie und Vorfreude strotzender, gesungener Begrüßungstext „bonjour Madame et Monsieur“ hört sich heute an wie ein Trauergesang. Es scheint ihm ähnlich zu gehen wie mir und als er mir sagt, dass er seit Tagen unfit ist, fällt das Stimmungsbarometer bereits vor Beginn der Session in den ungeliebten, roten Bereich.
Ich gebe mir Mühe, mir meine Emotionen nicht anmerken zu lassen…
um Hannes damit nicht noch weiter herunterzuziehen. Ob mir das gelungen ist? Keine Ahnung. Es dauert dann aber nicht lange und wir können los. Für diese Session haben wir uns das Fischen mit übergroßen Ködern vorgenommen, um damit die Krabbelgruppe auszulassen und direkt die Dicken anzusprechen. Premiumkarauschen der XXXL Kategorie sollen uns bei diesem Unterfangen helfen.
Am Wasser angekommen, ist der Spot sehr schnell ausgewählt und die Organisation von Tackle, Boot und sonstigen Kleinigkeiten geht reibungslos von der Hand. Leicht erhöhter Wasserstand mit angetrübtem Wasser lässt die Platzwahl auf ein tiefes Kehrwasser vor einem Brückenpfeiler fallen. Ein Big Fish Platz, an dem unsere Großköder ihre Stärken ausspielen sollten. In dieser Phase der Session weichen die anfänglichen negativen Emotionen trotz Dauerregen einer gewissen Art von Vorfreude, gepaart mit der Giwissheit, dass wir hier das Richtige tun.
Weniger ist machmal mehr!
Nach diesem Motto entscheiden wir uns aufgrund der Gegebenheiten am Platz nur 2 Ruten pro Person auszulegen. Jeder bekommt eine im Kehrwasser und eine weitere Rute stromab mit U-pose.
Die Vorbereitungen am Platz laufen still und ohne viele Worte ab. Jeder kennt seinen Part und verrichtet diesen mit Sorgfalt und ohne Hast. „Leg du zuerst aus“ ruft mir Hannes zu. Alles klar, ich entscheide mich zunächst für die Rute direkt am Brückenpfeiler. Der Köder ist schnell angehakt und ich habe mich dabei diesmal für eine für mich untypische, zusätzliche Rassel am Vorfach entschieden. Ein Großköder mit dem Extrareiz der Rassel kann den Dicken nicht unbeeindruckt lassen. Ich möchte tief Fischen und so stelle ich bei 4 Meter Wassertiefe auf 3,5 Meter ein. Während des Rausfahrens peitscht mir der aufgekommene Wind eine heftige Ladung Regen ins Gesicht. Yes, that`s catfishing … i hate it, but i love it!!!
Mit guten Wünschen entlasse ich die Karausche in die Tiefe. Sie taucht ab und die tanzende Pose zeigt mir sofort, dass sie ihren Job sehr gewissenhaft verrichtet. Gutso! Am Ufer angekommen, nehme ich von Hannes direkt meine zweite Rute entgegen, und bin gerade auf dem Weg meine Grundrute auszulegen, als mir dabei heftiges Geschreie von Hannes in die Parade fährt. „SVEN, BISS…
Meine Rute fliegt ins Boot und schnell bin ich an Land und lasse mir meine NAZGUL übergeben…
Mein Freund hatte den Anhieb gesetzt und sofort reißt mich der Fisch ein Stück nach Vorne und peitscht mitten im Fluss mit seinem Schwanz aufs Wasser. Für mich steht sofort fest. Das ist ein Guter. Wir müssen ins Boot. Ich springe in die Spitze und Hannes übernimmt das Kommando. Die heftige Strömung, der wütende Fisch und der erbarmungslose Regen schaffen eine Extremsituation … aber sind wir dochmal ehrlich. So muss es sein und genau dafür sind wir hier. Ich fühle mich gut und nach den letzten erfolglosen Nächten koste ich jede Sekunde des Fights aus, wie ein ausgehungertes Raubtier, das nach den langen Wintertagen endlich etwas Fressbares findet.
Wir sind über dem Fisch aber dieser zeigt noch keine Schwäche…
Immer wieder lässt er die Rolle aufschreien und die Rutenspitze wird von jeder Flucht weit unter die Wasseroberfläche gezogen. Durch die heftige Strömung und den starken Fisch dreht sich unser kleines Schlauchboot mehrmals im Kreis und es ist nicht leicht die Orientierung zu behalten. Ein WALLERTANZ der keinem Rhythmus und keiner Melodie folgt und der dadurch auch nur sehr schwer zu berechnen ist. Volle Konzentration, Glück und ein sauber sitzender Haken ermöglichen mir dann schließlich doch die hart erkämpfte Handlandung. Ich ziehe den Silure sofort ins Boot und der massige Fischkörper macht sich zwischen uns breit. Für einen kleinen Moment herrscht völlige Stille … dann bricht die Freude aus uns heraus. GESCHAFFT!!! Den nimmt uns keiner mehr.
In langsamer Fahrt geht es zurück zum Ufer…
und das Maßband bringt uns die Gewissheit. Der erste Fisch der Session misst genau 2 Meter. Unser Plan scheint aufzugehen. Schnell sind alle Ruten im Wasser und wir verkriechen uns für kurze Zeit unter unseren Schirmen, wo es dann nach dem Wechseln der Kleidung allmählich wieder warm wird.
Um es vorweg zu nehmen. Die erste Nacht der Session brachte uns 4 Fische. Allesamt gute Exemplare. Quasi ein Selbstläufer. Am nächsten Morgen wecken uns Sonnenstrahlen und ein strahlend blauer Himmel bietet im Kontrast zu dem keffebraunen Wasser und dem üppigen Grün der voll im Saft stehenden Vegetation ideale Bedingungen für die bevorstehende Fotosession.
Guter Dinge und voller Euphorie über das Erlebte…
und über das, was in den nächsten beiden Nächten noch kommen mag, beschließen wir zunächst ohne das Lager abzubauen auf die Suche nach einem neuen Spot zu fahren. Weil wir trotz minimalem Tackle beim Moven doch eine ganze Menge zu transportieren haben, nehmen wir die Premiumköder und einen Setzkescher mit auf die Erkundungstour mit dem Ziel diese, direkt am neuen Platz zu lassen.
Es tut gut die warme Frühlingssonne auf der Haut zu spüren. Im T-Shirt und ausgestattet mit einem kühlen Bier genießen wir beide diese kleine Fahrt und versuchen das Wasser richtig zu lesen. Der neue Platz ist eine kleine Insel von der aus wir optimal unsere Ruten fächern können und mit dem eventuell noch steigenden Wasser keine Problem bekommen werden. Und wir sind uns sicher, dass auch hier unsere Großköder den Großfisch bringen werden.
Zurück zum alten Platz, zügig abbauen und los zur Insel …so war es geplant, doch dann entscheiden wir uns spontan dazu einen kleinen Mittagsschlaf zu machen. Ein wie sich später herausstellt, entscheidender Fehler mit großer Tragweite.
Nach zwei Stunden sind wir dann beladen auf dem Weg zum Spot für die zweite Nacht…
Es ist gar nicht so weit und als wir die Boote Richtung Inselspitze steuern, vermisse ich beim Blick auf die kleine, freie Stelle, an der wir die Boote festmachen wollen, ein kleines Detail… DEN SETZKESCHER. Wir kommen näher und meine Augen suchen verzweifelt, doch sie werden auch nach mehrmaligem Abscannen nichts finden. Hannes kommt mir mit seinen Worten zuvor … „Sven, der Setzkescher ist weg!“ An Land wird es dann zur traurigen Gewissheit. Wir sind beklaut worden. Dass sich der Kescher nicht von selbst gelöst haben konnte, wird uns klar, als wir feststellen, dass auch die Sauerstoffpumpe fehlt. Sie lag sicher vor dem Wasser oben im Gras.
Eine Mischung aus Verzweiflung, Wut, Enttäuschung, Resignation und Sprachlosigkeit…
die sich anfühlt, wie eine bittere Niederlage, zerstört unsere Pläne und wir können dagegen nichts machen. Es ist schon zu spät, um noch zu reagieren. Was nun? Wir diskutieren verschiedene Möglichkeiten. Diese bewegen sich von „wir versuchen neue Köderfische zu fangen“ bis hin zum Abbruch der Session. Am Telefon erfährt Hannes von einem Freund, dass er uns mit Ködern aushelfen kann und so beschließen wir die Nacht mit den verbleibenden, kleinen Weißfischen zu bestreiten und dann am nächsten Morgen zu überlegen, wie es weiter geht.
Wir beruhigen unsere Gemüter und es gelingt uns trotz des schmerzlichen Verlustes die Ruten so zu platzieren, dass wir mit einem einigermaßen guten Gefühl in die Nacht gehen. Normalerweise sind wir absolute Fans von kleinen Ködern aber in dieser Situation wissen wir, dass sie uns zwar Bisse bringen werden aber dieser Abschnitt ist für einen dichten Bestand gerade auch von kleineren Welsen bekannt und wir befürchten, dass die Ruten fallen, bevor der Große in Fresslaune kommt. Die Bestätigung bekommen wir bereits bevor es richtig dunkel ist und die erste Rute knallt weg. Ein halbstarker Bursche eröffnet die Nacht. Nach wenigen Minuten ist die Falle erneut gestellt. Alle Ruten bringen Aktionen und so bleibt wieder wenig Zeit um durchzuatmen. Ich möchte an dieser Stelle nicht den Eindruck erwecken, dass uns die Wertschätzung für kleine Fische fehlt aber wenn man immer wieder raus muss, um den nächsten Zweitklässler zu versorgen, wünscht man sich einfach, dass jetzt mal für ein paar Stunden Ruhe einkehrt.
Und so ist es wirklich…
Von der einen auf die andere Minute ist der Fressrausch der Meterfische vorbei… es herrscht Stille und unsere Sinne können die anderen Geräusche der Nacht verarbeiten. Grillen die zirpen, Im Gehölz bellende Rehböcke und ein greller Schrei in der Ferne, der uns signalisiert, dass auch an Land die Raubtiere ihr Unwesen treiben. Die Sterne bemühen sich die Oberhand gegen die immer dichter werdenden Wolken zu behalten und verlieren diesen hoffnungslosen Kampf sehr deutlich.
Um uns herum herrscht stock finstere Nacht und ich drifte ins Land der Träume…
werde aber ein paar Stunden später durch eine aufschreiende Bremse geweckt. BISS. Hannes hat sehr ufernah, direkt vor unseren Füßen einen Fisch gehakt und befindet sich mitten in einem Kampf, bei dem der Sieger bereits feststeht. Ich höre noch die klatschenden Schwanzschläge des Fisches und dann sitzt er fest. Mitten im Holz. Bombenfest und Hannes ist völlig machtlos. Wir versuchen mit dem Boot Richtung Flussmitte zu fahren, um den Fisch zu lösen. Aber ohne Erfolg. Beim Stillhalten der Rute spürt man den wütenden Fisch immer wieder sehr deutlich aber man kann ihn nur bis zu einem bestimmten Punkt zurückziehen, dann ist er wieder fest. Das Abschneiden der Schnur mit der Gewissheit, dass sich am anderen Ende ein Fisch befindet, gehört zu den unangenehmsten und überflüssigsten Tätigkeiten beim Fischen aber manchmal bleibt einem keine Wahl. Mit der Hoffnung, dass sich der Fisch unter Wasser befreien kann und die Haken los bekommt, bestreiten wir die zweite Hälfte der Nacht.
Am Morgen ist der Himmel dunkelgrau und eigentlich wäre es nun sehr leicht die Session zu beenden…
Wir hätten uns gegenseitig den Abbruch mit unterschiedlichen Begründungen rechtfertigen können. Das Wetter, fehlende Köderfische, der verlorene Fische oder oder oder … Ich war wirklich kurz davor mich diesem Gefühl hinzugeben und ich bin mir sicher Hannes ging es genauso. Aber wir bleiben. Der neue Plan sieht das zügige Abbauen des Lager vor, dann wollen wir zu einer uns bekannten Stelle in der Nähe der Autos moven und von dort aus will Hannes dann losfahren, um die versprochenen Köderfische zu besorgen.
Als wir unsere Motoren starten, um den erschwerlichen Weg gegen die noch einmal stärker gewordene Strömung anzugehen, beginnt wie als gäbe es einen Startschuss ein weiterer Wolkenbruch. Die Himmelsschleuse wird komplett geöffnet und das kalte Wasser ergießt sich über uns. Das darf doch alles nicht wahr sein. Ohne Worte. Ich aber habe die Hoffnung, dass es sich nur um einen heftigen Schauer handelt aber auch als Hannes von seiner Köderfischreise zurück kommt, regnet es unverändert stark. Wir verbringen den restlichen Tag unter dem Schirm und das absolute Tageshighlight ist ein kleiner und großer Döner, den Hannes für jeden von uns mitgebracht hat. Dieser ist zwar mittlerweile kalt aber das ist egal. Er schmeckt göttlich!!!
Ein weiterer, kleiner Fisch bleibt noch zu erwähnen…
und dann beenden wir die Session am nächsten Morgen kurz nachdem das Morgengrauen die Sicht auf das überflutete Schlachtfeld und unser völlig durchnässtes Equipment freigibt. Es verwundert uns nicht, dass es immer noch regnet.
Nachdem alles in unseren Autos verladen ist, stehen wir wie so oft vorher mit einem letzten Bier zusammen und versuchen das Erlebte einzuordnen. Irgendwie ist das diesmal besonders schwer und es fällt uns nicht leicht mit einem guten Gefühl die Heimreise anzutreten. Die Motivation für die nächste, gemeinsame Session, die wir für eine gute Woche später geplant haben, ist in diesem Moment nicht vorhanden und ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass sie schnell zurück kommt … Ganz sicher bleibt aber die Freude über die gefangenen Fische und es begleiten mich die gleichen Wünsche nach Hause, die ich bei dieser Session mit ans Wasser gebracht hatte.