Kettenreaktion … von Sven Dombach
Sonnenstrahlen kitzeln auf meiner Nase …
Ich öffne langsam meine Augen und bin überwältigt von dem Spiel der Lichter an diesem Morgen. 1000 Farben gepaart mit dem Spiegel des Wassers, erzeugen eine Stimmung, die man mit Worten nicht beschreiben kann. Ich bemerke, dass mein Angelpartner schon aufgestanden ist und der Duft von frischem Kaffee schleicht sich in meine Nase. Kurz darauf sitzen wir beide auf den Stühlen und grinsen uns wortlos an.
„Was war das für ein Nacht“, höre ich mich nach einer Weile sagen und mein Blick geht zum Flussufer. Dort führen zwei Seile ins Wasser und bei genauem Hinsehen kann man erkennen, dass sie sich von Zeit zu Zeit wie von Geisterhand gezogen bewegen. Ja, da sind zwei starke Fische am Band. Die zwei besten von insgesamt vier der vergangenen Nacht.
Plötzlich wird mir bewusst, dass wir unheimlich viel Glück hatten. Natürlich gehört zum regelmäßigen Fang von Welsen ein gewisses Maß an Fachverstand und Können aber immer wenn ein Fisch erfolgreich gelandet wird, hat man auch viel Glück, denn es kann immer so viel schief gehen. Alle Rädchen müssen ineinander greifen und erst wenn das letzte Glied in der Kette gesichert ist, gilt der Fisch als gefangen. Es handelt sich also jedes Mal um eine KETTENREAKTION und darauf möchte ich etwas näher eingehen.
Wenn man sich diese Kette genauer anschaut …
stellt man fest, dass sie immer auch aus Teilen besteht, auf die wir als Fischer keinen oder keinen direkten Einfluss haben. Ganz grundlegende Gegebenheiten, wie das Wetter, der Wasserstand, die Wassertemperatur oder eine auf anderen Ursachen beruhende Fresspause der Fische muss von uns immer so hingenommen werden. Diese entziehen sich gänzlich der Handlungsfähigkeit des Anglers. Wir können dann nur noch entscheiden, ob wir ans Wasser gehen oder lieber zu Hause bleiben.
Was wirklich unter Wasser vor sich geht wissen wir nicht !!!
Dann gibt es aber auch Dinge, die manchmal passieren …
und manchmal eben nicht. Diese sind quasi dem Zufall überlassen und fordern jedes Mal das Glück heraus. Es kommt immer wieder vor, dass wir stundenlang vor unseren Ruten sitzen und sehnsüchtig auf den Biss warten, ohne zu wissen, dass eigentlich unter normalen Umständen niemals ein Biss kommen wird. Die Gründe dafür sind von ganz unterschiedlicher Natur. Zum Beispiel können sich in der Schnur Treibgut, Gras oder Wasserpflanzen sammeln. Das muss nicht zwangsläufig zum Abreißen der Montage führen und dann bleibt es manchmal vom Angler unbemerkt, gerade wenn die Dunkelheit die klare Sicht auf die Dinge verhüllt.
Am nächsten Morgen fällt so etwas immer dadurch auf, dass die Rute viel gespannter im Rutenhalter steht, als noch am Abend. Dieses Hineintreiben in die Montagen passiert teilweise nach dem Zufallsprinzip und hat nicht immer etwas mit dem falschen Einschätzen vom Strömungsverlauf zu tun. Insbesondere bei der U-Posenfischerei geschieht das sehr häufig. Wir fischen im Sommer regelmäßig in sehr flachen und strömungsreichen Gewässerabschnitten mit einem starken Vorkommen an Unterwasserpflanzen. Wir hatten es schon des Öfteren, dass fast alle Ruten fielen, bis auf eine. Das ist dann häufig genau die Rute, die über Nacht Kraut gefangen hat und somit für den Waller uninteressant wurde … Zufall eben !!!
Bleiben wir kurz bei der U-Pose …
Jeder entwickelt im Laufe der Zeit seine eigene Technik, um die U-Posenmontage auszulegen. Die einen lassen den Stein gleichzeitig mit dem Köder fallen. Andere halten zunächst das Vorfach fest, während der Stein zum Gewässerboden sinkt und spannen den Köder dann langsam nach. Egal für welche Methode man sich entscheidet. Was während oder nach dem Auslegen unter Wasser wirklich passiert, wissen wir nicht.
Der Köder kann sich am Stein verfangen, der Führungshaken kann sich lösen, was dazu führt, dass der Köderfisch sehr unnatürlich im Wasser steht und nach kurzer Zeit vielleicht sogar ganz ausreißt. Das sind alles Dinge, die wir nicht beeinflussen können. Oder man legt die Montage unwissentlich direkt in ein Unterwasserhindernis, welches vom Echolot nicht angezeigt wurde. Selbst wenn hier ein Biss kommt, kann der Fisch direkt festsitzen und man verliert ihn später im Hindernis.
Auch das Thema Köderfisch …
beinhaltet sehr viele Zufallskomponenten. Da wo der lebende Köderfisch erlaubt ist, wird er natürlich auch von mir eingesetzt. Wenn dieser Fisch nun stundenlang gegen die Haken und das Vorfach arbeitet, kann es trotz ausgeklügelter Montagen zu Verwicklungen führen. Das geht 1oo Mal gut und dann passiert es eben doch einmal. Reiner Zufall! Außerdem kann ein lebender Köderfisch auch immer seinen Qualen erliegen und hängt dann am nächsten Morgen steif und uninteressant am Haken. Natürlich hätte hier trotzdem ein Biss kommen können aber es kam eben keiner.
Jeder kennt die Situation …
Es wurde sauber präsentiert. Irgendwann kommt dann ein Bilderbuchbiss und der Anschlag geht voll ins Leere. Für den verzweifelten Angler am Ufer gibt es dafür keine Erklärung. Vielleicht war die Montage verdreht und die Haken konnten deshalb nicht greifen. Vielleicht haben wir dem Wels durch unseren Anschlag die Haken wieder aus dem Maul gezogen oder der Fisch hat just in dem Moment wieder ausgelassen, als wir angeschlagen haben. Egal wo die genauen Gründe wirklich liegen. Der Fisch wird nicht gefangen und der Angler ist an einer Stelle in der Ereigniskette schuldlos gescheitert.
Manchmal ist die Aktion sogar schon vorbei …
bevor wir einen Anschlag setzen können. Das müssen wir so hinnehmen und daran ist nichts zu ändern. Leider! Wer häufig mit Aalen fischt, kennt diese Aktionen sicherlich nur zu gut. Der Aal ist ein Garant für Fehlbisse. Daran kann der Angler auch nicht viel ändern. Bei einem Anbiss auf eine Schlange muss wirklich alles passen, um den Fisch zu haken.
Hat es dann funktioniert, folgt der Drill …
Auch hier kann wieder einiges passieren, was zum Fischverlust führt. Der Haken kann ausschlitzen, der Fisch kann sich festsetzen, die Schnur kann sich an einem scharfen Gegenstand unter Wasser abschneiden oder oder oder. Auch dafür trägt der Fischer oftmals keine Schuld und der Zufall richtet über die Dinge. Wenn die Schnur plötzlich erschlafft, ereilt einen die bittere Erkenntnis, dass der Fisch weg ist. Dieses Gefühl kennen sicher die meisten von euch. Ein richtiges Scheißgefühl. Das braucht man nicht wirklich!
Auch beim „großen Finale“, der Landung kann der Fisch in letzter Sekunde den Kampf für sich entscheiden, wenn der Zufall das möchte. Das passiert zwar sehr selten aber gelandet ist der Fisch eben erst dann, wenn er gelandet ist. Keine Sekunde früher.
Schlüsselmoment Anhieb
Ich möchte hier keine Negativstimmung erzeugen …
sondern ich möchte nur den Blick auf die Dinge schärfen. In jeder Phase kann viel passieren und Erfolg und Misserfolg liegen oftmals ganz dicht zusammen. Und das kann immer und vor allem auch jedem passieren und entzieht sich völlig den anglerischen Fähigkeiten. Neben diesen zufallsgesteuerten Faktoren gibt es aber auch einiges, worauf wir direkten Einfluss nehmen können.
Es gibt Angler, die regelmäßig ihre Welse fangen …
und andere hingegen haben im Jahresverlauf weniger Fische. Der erfolgreiche Angler hat im Laufe der Zeit gelernt, genau diese Dinge zu optimieren, auf die er unmittelbaren Einfluss beim Fischen nehmen kann. Umgekehrt ausgedrückt, hat er gelernt seine Fehler zu minimieren.
Das geht schon bei der Planung …
und Vorbereitung einer Session los. Je genauer und bedachter man dabei vorgeht, desto einfacher und schneller ist man am Wasser in der Lage zu reagieren. Es macht sehr viel Sinn, wenn man sich geplante Abläufe am Wasser schon zuhause überlegt, um mögliche Hindernisse und Fehlerquellen auszuschließen. Z.B. macht es durchaus Sinn, schon daheim seine Montagen zu binden oder Abreißsteine vorzubereiten, wenn man weiß, dass man erst nach Feierabend los kommt und somit die Zeit am Wasser zum Auslegen der Ruten nur sehr knapp bemessen ist. Dadurch vermeidet man unnötige Hektik und daraus resultierende Fehler.
Ein weiterer fangentscheidender Aspekt …
ist immer die richtige Platzwahl. Nur wenn wir dort unsere Köder präsentieren, wo sich der Waller aufhält, bzw. wo er zum Fressen vorbei kommt, können wir mit einem Biss rechnen. Dieser wichtige Faktor liegt also immer ganz alleine in unserer Hand.
Auch die Materialzusammenstellung …
wird alleine durch uns bestimmt. Wenn hier, angefangen beim Haken über Vorfach, Wirbel, Schnur, Rolle und Rute nicht auf Qualität geachtet wird, steigert man die Anfälligkeit für Fischverluste. Oder wenn wir falsche Knoten binden, kann es am Fisch sehr schnell zu Komplikationen kommen. Hierfür tragen dann immer wir die alleinige Verantwortung und das hat nichts mit Glück oder Pech zu tun.
Hat man nun einen Hotspot ausgemacht …
gilt es die Montagen so zu präsentieren, dass der Köder möglichst lange für den Waller interessant bleibt. Dafür trifft der Angler die Entscheidung. Setze ich eine Boje oder einen Stab? Binde ich am gegenüberliegenden Ufer an? Lege ich U-Posen? In welcher Tiefe Fische ich? Vorfachlänge? Wie ködere ich an? Welche Kante oder welches Kehrwasser ist interessant? Fragen über Fragen, die oftmals innerhalb weniger Sekunden im Kopf des Anglers entschieden werden. Hierbei helfen einem die Erfahrung, das persönliche Gefühl und der Blick für das Wasser. Auch das hat sehr wenig mit Glück oder Zufall zu tun.
Ich habe oben schon beschrieben, dass es immer wieder passiert …
dass eine Montage sehr anfällig für Treibgut ist. Natürlich kann der Angler dieses Risiko minimieren, wenn er gerade bei der Spannmontage darauf achtet, dass er die Schnur komplett aus dem Wasser bekommt. Außerdem stellt er die Bremse der Rolle so hart ein, dass kein Nachrutschen und somit Absenken der gespannten Schnur passieren kann. Zeit fängt Fisch und nur wenn die Montage über längere Zeit optimal präsentiert ist, sind die Chancen auf einen Anbiss maximal.
Kommt dann endlich der ersehnte Biss, kommt es sehr viel auf den Angler an, ob der Fisch gehakt oder verloren wird. Der Anschlag ist ein Schlüsselmoment und hier ist es ebenfalls die Erfahrung, die einem dabei hilft, Fehler zu vermeiden. Ich verfahre dabei stets nach dem Prinzip „lieber zu früh als zu spät“ und das hat sich sehr bewährt.
Wenn ich es schaffe, warte ich nicht auf das Sprengen der Reißleine und schlage in den konstanten Vorzug des Fisches an. Kommt es doch einmal zum Abriss der „Breakline“, gilt es zunächst so schnell wie möglich Fühlung aufzunehmen. Erst wenn man den Fisch „spürt“ macht ein Anschlag Sinn.
Auf die Materialzusammenstellung hat der Angler direkten Einfluss
Ist der Fisch dann endlich gehakt, hat man bis dahin schon ganz viel richtig gemacht …
Ein Wallerdrill ist der Höhepunkt jeder Session und hier muss der Fischer wissen, was er seinem Material zumuten kann und wie er mit dem Fisch am anderen Ende der Leine umgeht. Für den Drill gibt es nach meiner Einschätzung kein Einheitsrezept. Je nach Gegebenheiten muss reagiert werden. Zum Beispiel dürfen bei einem gehakten Fisch in harter Strömung viel weniger Fehler passieren und das Material wird auf eine viel größere Probe gestellt, als im Stillwasser oder in langsam fließenden Passagen.
Im Drill kommt es immer wieder vor, dass man bemerkt, dass man im Vorfeld nicht genug über die Situation und mögliche Gefahren nachgedacht hat. In hindernisreichem Wasser kann es fangentscheidend sein, wenn das Boot so positioniert und vorbereitet wurde, dass man zum Drillen schnell hineinspringen und agieren kann. Und schließlich ist es auch bei der anschließenden Landung die Erfahrung, die über Erfolg oder Niederlage richtet.
Nach der Landung beginnt dann die kritische Phase …
die für den gefangenen Fisch von besonderer Bedeutung ist. Sie entscheidet darüber, ob die Kettenreaktion auch für ihn gut ausgehen wird. Nur wenn der gefangene Fisch keine bleibenden Schäden davonträgt, haben alle Rädchen ineinander gegriffen. Hierfür trägt der Angler die alleinige Verantwortung und darüber sollte man sich beim Anleinen, bei der Fotosession und beim Zurücksetzen immer bewusst sein.
Ich erwähne das bewusst an dieser Stelle, da auch ich in der Vergangenheit in diesem Bereich Fehler gemacht habe, die für den gefangenen Fisch sehr tragisch waren. Aber ich habe daraus gelernt und das ist zumindest ein kleiner Trost.
Alles ist gut gegangen
Bleiben die Bisse trotz richtiger Platzwahl und guter Präsentation aus …
ist es auch wieder der Angler, der durch sein Handeln darüber befindet, ob die Beißflaute weiter anhält oder ob sich das Blatt zum Guten wendet. Auch das hat sehr wenig mit Glück zu tun.
Bequemlichkeit und starres Denken sind dabei die größten Hindernisse. Nur wenn man es schafft, die Gegebenheiten richtig zu deuten und daraus seine Schlüsse zieht, kann man die Session zurück auf die Erfolgsspur bringen. Ansatzpunkte gibt es eine ganze Menge. Durch Beobachten und Ausprobieren erhält man wichtige Erkenntnisse, die uns weiterhelfen können. Evtl. macht ein Platzwechsel Sinn. Man kann die Präsentation verändern.
Zum Beispiel kann man seine Ausleger verlängern …
oder verkürzen, in einer anderen Tiefe anbieten, Bojen umsetzen oder U-Posen an einer anderen Kante ablegen, um dadurch einen neuen Bereich zu fischen. Man kann verschiedene Köderfische ausprobieren und man kann diese anders anködern, um dadurch einen neuen Reiz zu erzeugen. Möglichkeiten gibt es also eine ganze Menge und der Phantasie und Experimentierfreude sind hier keine Grenzen gesetzt.
In diesem Bereich kann man sein Glück schon ein wenig erzwingen und der Ausdruck „das Glück des Tüchtigen“ trifft hier sicherlich zu. Ganz wichtig ist es meiner Meinung nach, dass man dabei auf Kleinigkeiten achtet.
Wenn man es dann doch schließlich geschafft hat …
einen Fisch zum Anbiss zu überreden, hat man einen wichtigen Anhaltspunkt. Es macht dann durchaus Sinn, auch die anderen Ruten entsprechend der Erfolgsrute anzupassen. Auch hier können wir wieder direkten Einfluss nehmen.
Ich bin jetzt fast am Ende …
meiner kleinen Ausführung angekommen. Im Jahre 2011 hatte ich viele Erlebnisse am Wasser, die mich genau in diese Richtung zum Nachdenken gebracht haben. Ich hatte ungewöhnlich viele Fehlbisse und auch einige Fische, die während des Drill`s verloren gingen. Ich war des Öfteren nur zweiter Sieger und ich wollte die Gründe dafür wissen. In vielen Gesprächen mit meinen Angelpartnern und Freunden habe ich über mögliche Ursachen diskutiert und wir wollten Lösungen finden.
Am Ende dieser Überlegungen steht aber die Einsicht …
dass es keine wirklichen Lösungen gibt. Der erfolgreiche Fang eines Wallers ist eben immer eine KETTENREAKTION. Wir können versuchen möglichst wenige Fehler zu machen, uns gut vorzubereiten und auch unsere Erfahrungen in die Waagschale zu werfen aber bleiben immer auch ein Stück weit abhängig von Glück und Zufall. Und das ist gut so!
Hannes und Sven – Der Erfolg gibt ihnen recht
Wahrscheinlich liegt gerade darin der besondere Reiz, den das Fischen auf uns ausübt. Niederlagen gehören einfach dazu und diese Bewusstheit bewirkt, dann eben genau diese unbeschreibliche Freude und pure Emotion, wenn dann die Kette bis zum Schluss gehalten hat und der Prachtfisch unbeschadet nach dem „Releasen“ nach Hause schwimmt.