Soleil, Silure et une Chien … von Johannes Martin
Hektisch zuckt der kleine Slick-Stick-Wobbler …
durchs flache Wasser. Verharrt einige Sekunden an einem Platz und setzt seinen Weg fort. Durch das Fluocarbon-Vorfach wirkt es, als sei er von Geisterhand geführt. Er erreicht das kleine Rückwasser im Schatten eines überhängenden Busches, die Spannung steigt, jetzt würde der erhoffte Döbel gleich drauf stürzen … doch nichts passiert.
Geräuschlos trägt mich die Strömung immer weiter flussab. Hecke für Hecke, Rückwasser für Rückwasser, Kiesbank für Kiesbank fische ich ab, in der Hoffnung auf einen, oder gar mehrere vernünftige Köderfische. Doch nichts passiert. Die Frühlingssonne demonstriert mir ihre zurückgewonnene Stärke. Ein leichtes Stechen im Nacken bestätigt meine Vermutung, dass es nicht mehr lange dauern konnte, bis ich mir den ersten deftigen Sonnenbrand für 2012 eingefangen hatte.
Auch der letzte Wurf bleibt erfolglos …
bevor ich den Motor starte und zurück zum Lager fahre. Als ich am Angelplatz ankomme, erwarten mich Ruppi und Reppi, die zum Feedern dort geblieben waren mit dem Satz: “Wir können nicht mal einen Biss vorweisen“.
„Geht mir genauso, hab außer einem Schuppenkarpfen noch nicht einmal einen Fisch gesehen…“, entgegne ich. Nachdenkliches Schweigen macht sich breit. Denn jeder weiß, ohne vernünftige Köder, nutzt der aussichtsreichste Platz und die ausgefeilteste Montage nichts. Glücklicherweise befanden sich in unserer Waschmaschinentrommel noch einige „Mitbringsel“ aus der Heimat. Auch wenn sich deren Zahl von Nacht zu Nacht kontinuierlich verringerte. Zwei Nächte hatten wir schon hinter uns, es musste bald eine Lösung her …
Als sich allmählich die Dämmerung breit macht …
sitzen wir im Schatten der Bäume. Bei einigen, ziemlich sauren und kernigen Vitaminbomben und ‘ner kalten Cola besprechen wir die weitere Vorgehensweise. Klar ist, ohne weitere Köderfische können wir nicht bleiben. Doch welche Ausweichmöglichkeiten gibt es? Wie können wir uns behelfen? Mitten in unsere Diskussion mischt sich ein dezentes „Kling“. Die Rute, deren Montage am weitesten flussauf platziert war, steht plötzlich gerade. Ruppi stürzt zur Rute, nimmt Kontakt auf, schlägt an und … hat Kontakt !!!
Unter knirschendem Widerstand nimmt der Fisch Schnur von der Rolle und flüchtet gegen die Strömung. Für uns das Zeichen: BOOT! Mit im Standgas gluckerndem Motor manövriere ich uns in Richtung des tobenden Silures. Dieser dreht plötzlich um, schießt auf uns zu und mit dem aufgenommenen Schwung an uns vorbei, stromab. Unter Vollbelastung des Geräts schafft Marc es den Fisch wieder abzufangen. Gleichzeitig versuche ich uns, von im Uferbereich liegendem Holz fernzuhalten. Das Echolot zeigt beruhigende 4 Meter Wasser unter uns, ohne Totholz oder sonstige Hindernisse, die uns zum Verhängnis werden können.
Marc gewinnt nun immer mehr Schnur …
Weiter, weiter, weiter … da kommt er! Völlig entkräftet, schwenkt der Wels mir nach einem letzten, vergeblichen Fluchtversuch, seinen Kopf zu. Ich sehe den Einzelhaken im Maulwinkel und den frei baumelnden Drilling. Der Griff um die Kauleiste bestätigt die Vermutung. 2 Meter+ ! Gemeinsam befördern wir den Fisch ins Boot und fahren zurück zum Ufer. Vor lauter Adrenalin, bemerken wir erst dort, was für ein Ausmaß dieser Fisch hat. Megagebiss, extreme Wampe, brutaler Saum. Wir freuen uns riesig und auch Reppi, der den Tanz vom Ufer aus mit der Kamera verfolgte ist komplett happy. Auch ein Bauer, der zeitgleich ein Feld am Flussufer bearbeitete eilte mit ausgestreckten Armen herbei um mit uns den Moment zu teilen.
Um den Fisch nicht unnötig weiter zu strapazieren schießen wir schnell einige Fotos, bevor wir ihn wieder dorthin entlassen, wo er hergekommen war. Begleitet vom Smalltalk unseres neu gewonnenen, französischen Freundes, was wir zur bevorstehenden Begegnung zwischen Marseille und Bayern denken, ordneten wir uns neu, machten die Montage startklar und brachten sie zurück zum Erfolgsplatz.
„Ihr seid vielleicht zwei Geilos!“ …
höre ich jemanden sagen: “ihr hört ja gar nichts!“ Ich wache auf, blicke neben mich. Dort steht Marc der uns mit schadenfroher Stimme mitteilt, dass wir gerade einen Biss, inklusive Drill komplett verpennt haben. Die Sonne musste mich wohl doch mehr erwischt haben als ich gedacht hatte, denn normalerweise habe ich beim Fischen einen sehr leichten Schlaf und bin bei jedem noch so leisem Anklingeln sofort wach.
Immer noch beunruhigt …
ja fast geängstigt davon, sitze ich am nächsten Morgen mit Reppi hinter den Feederruten. Sehnsüchtig starren wir auf die sensiblen Wackelspitzen und erwarten ein Rucken, ein Wippen, oder wenigstens ein leichtes Zupfen. Doch nichts passiert. Die Zeit vergeht, Futterkorb um Futterkorb findet den Weg in seine Spur, doch es geschieht nichts.
Zwei Maden, Made mit Caster, zwei Caster, Wurm, Wurm mit Made … unsere Ködervariationen waren schier unendlich. Auch am Gewicht der Körbe schraubten wir, um mögliche Fehlerquellen auszuschließen. Doch selbst Marcs Sbirolino-Experimente brachten keinen Effekt. Die Wackelspitzen verharrten stur an Ort und Stelle, ohne jedes Anzeichen auf Fisch.
Da auch die vergangene Nacht mit reichlich Siluren gesegnet war, wurde die Situation in unserem Köderfischbehälter langsam eng. Maximal eine weitere Nacht wäre mit den vorhandenen Ködern noch möglich, dann musste etwas passieren. Wir beschlossen, aufgrund der guten Walleraktivität an diesem Spot genau diese eine Nacht noch zu fischen und dann aufzubrechen, um unsere Ködervorräte aufzustocken. Möglichkeiten dazu fanden wir zu Genüge, denn wenn es unseren französischen Nachbarn an einem nicht mangelt, dann sind es Gewässer.
Motiviert von diesem Beschluss …
wollten wir unserem befischten Spot in der zweiten Nacht noch einmal alles entlocken was ging. Wir nutzten die Informationen, die uns die bereits gefangenen Fische lieferten und glichen Taktik und Montagen an. Ausleger wurden entfernt, neue platziert, einige verlängert, andere verkürzt. Vorfächer verlängert, die Platzierung der Steinmotagen neu bestimmt.
Irgendwann mitten in der Nacht …
Ich werde wach. Zum x-ten Mal in dieser Nacht. Anders als in der Nacht davor, als ich komplett in meinen Träumen versunken nichts vom Treiben um mich herum mitbekam, löste in dieser Nacht jedes noch so kleine Geräusch, welches dem Läuten einer Aalglocke glich einen leichten bis mittelschweren Panikanfall in mir aus. So auch diesmal. Irgendetwas hatte mich geweckt, ob es ein Glöckchen war, kann ich nicht sagen.
Ich sehe die dunklen Silhouetten unserer Stecken im Mondschein. Völlig regungslos verharren sie in den Rutenhaltern. Wohl ein falscher Alarm. Kurz bevor meine Augen den Kampf gegen den inneren Willen, den Ruten noch einen Moment zuzusehen gewinnen können, erkenne ich, wie die zweite Rute von links in Zeitlupe absinkt. Das Adrenalin schießt in meine Adern. Bevor ich aufspringen kann wird mir klar, dass dies Marcs Rute ist. Aber Marc kommt nicht?!
Normalerweise geht es ihm in Sachen Schlaf …
beim Angeln genauso wie mir und es ist eigentlich verwunderlich, dass er manchmal nicht schon anschlägt bevor der Biss überhaupt erfolgt, doch diesmal ist kein Marc da und die Rute geht immer weiter krumm. „Marc!!?? BISS!!“ ich springe auf, reiße die Rute aus dem Halter und schlage voll gegen eine Wand. Ich schnalle sofort was los ist. Ochse am Band! Im selben Moment stürzt mir Marc entgegen. Ich übergebe die Rute und helfe beim Einstieg ins Boot, wo Reppi schon wartet. Geniales Teamwork!
Angespannt stehe ich am Ufer und versuche anhand dessen, was meine Ohren der Dunkelheit entnehmen können den Drill zu verfolgen. Zuerst sind das Geräusch der Bremse und die leisen gegenseitigen Anweisung noch zu hören. Mit zunehmender Drilldauer werden die Geräusche immer leiser und undeutlicher. Die beiden sind mittlerweile weit abgedriftet und ich hoffe, dass es keine Komplikationen gab, oder der Fisch sich irgendwo festgesetzt hat. Ein lautes Klatschen. War das ihr Fisch? Einige Augenblicke verstreichen bis ein schwach vernehmbares „Juhuuu!“ den Weg in meine Gehörgänge findet.
Nun höre ich den Motor …
Das Gluckern wird langsam lauter. In der Ferne erkenne ich undeutliche Umrisse, diese festigen sich mit jedem Meter den sie näher kommen, bis ich schließlich das Bootsseil greifen und festzurren kann. Im dunklen Boot erkenne ich etwas sehr großes, schwarzes Ding. In dem Moment als Marc die Kopfplampe einschaltet klappt mir die Kinnlade komplett nach unten. „Was ist das denn!?!?!?“ Dieser Fisch hatte den Begriff Ochse ohne Wenn und Aber verdient.
Er brauchte sich in Sachen Kopf, Bauch und Flossensaum in keinster Weise hinter dem großen Fisch des Vortages zu verstecken und hatte dazu noch einen sehr stark ausgeprägten Buckel. Wahnsinn! Erleichtert und zufrieden, versorgten wir gemeinsam den Fisch. Der obligatorische „Waller-Whiskey“ besiegelte den Fang, bevor wir uns wieder auf unsere Liegen verzogen.
Da der frühe Vogel ja bekanntlich nicht nur den Wurm fängt …
haben wir das Ablichten des Fisches und das Verladen unseres Tackle am nächsten Morgen bereits um halb zehn hinter uns. Wie bereits erwähnt stand an diesem Morgen die Aufstockung unseres Köderfischkontos im Vordergrund. Ein Schifffahrtskanal diente uns dabei als Ausgangsbasis. Die investierte Zeit lohnte sich, sodass wir beim abendlichen Auslegen am neuen Platz ködertechnisch aus dem Vollen schöpfen konnten.
Dieser Platz glich in seiner Beschaffenheit und Struktur kaum dem vorherigen. War aber auf seine Art und Weise reizvoll. Flaches, schnelles Wasser wechselte sich mit tief ausgespühlten Rückwassern ab, welche teilweise mit Totholz gespickt und dadurch zusätzlich interessant waren. Natürlich legten wir einige Fallen genau dort aus. Aber auch das schnelle, flache Wasser wurde mit U-Posenmontagen befischt.
Da dies bereits der vorletzte Abend unserer Tour war …
wurde es Zeit über ein „Reste-Essen“ der Vorräte nachzudenken. Marc stöberte also in seiner „Schatztruhe“, als plötzlich unerwarteter Besuch eintraf. Der Besuch war auf vier Pfoten unterwegs. Ohne große Scheu, fügte sich ein schwarzer Labrador bei uns ein, als wäre er schon jahrelang dabei und tingelt um die Ruten als wolle er überprüfen, ob wir das auch alles ordentlich gemacht haben. Nachdem er daran scheinbar nichts auszusetzen hatte und sich genügend Streicheleinheiten eingesammelt hatte, nahm er, als sei es selbstverständlich, Platz zwischen unseren Liegen und schlief … eiskalt !!!
Spät ist es geworden …
und die Kohlrouladen köcheln vor sich hin. Ein leckerer Geruch, der in unseren Mägen lautes Gegrummel auslöst, legt sich in die Luft. Unser Freund, der Mond ist zurück und erhellt die Natur um uns herum in seinem typischen Dämmerlicht. Sternenklar ist es, was darauf schließen lässt, dass uns eine sehr kalte Nacht bevorsteht.
Und noch etwas ist anders als an den bisherigen Abenden. Die Laute, das Gepiepse und das Gezwitscher der Vögel ist heute Abend verstummt. Stattdessen bestimmt das leise Brodeln der Soße im Kochtopf die Geräuschkulisse. Es wird kaum gesprochen. Nicht weil eine schlechte Stimmung, oder gar Lagerkoller herrscht, ganz im Gegenteil. Viel mehr stecken uns die Anstrengungen der letzten Tage in den Knochen. Vier Platzwechsel bei fünf gefischten, meist sehr schlafarmen Nächten hinterließen ihre Spuren. So genießt jeder für sich diesen Moment der Ruhe.
Ein lautes, einzelnes Signal des Taffi-Bissanzeigers durchschneidet die Ruhe …
Sechs Augen wandern zur Rute und sehen … nichts … oder doch!? Zaghaft und kaum erkennbar verändert sich der Winkel von Rutenspitze zur Wasseroberfläche. Marc ist an der Reihe, knallt den Löffel in den Kochtopf und springt zur Rute. Anhieb – hängt!
An dieser Stelle …
würde ich euch nun gerne von einem spektakulären Drill erzählen. Doch den gab es nicht. Vielmehr machte sich der Fisch die Strömung zu Nutze und lies sie wie ein nasser Sack hängen. Nun konnte die New Age ihr starkes Rückrad voll ausspielen. Nach einigen Minuten gelingt es Marc den Fisch aus der Strömung in den Kehrwasserkessel vor unseren Füßen zu manövrieren, in dem der Fisch dann doch noch einmal richtig Gas gibt.
Vom Winseln unseres Vierbeinigen Landehelfers begleitet geht Reppi im Boot in Position, während ich Abhakmatte und Seil vorbereite. „Der hat zwei Meter“, murmelt Reppi aus dem Boot. „Was? Neeee…! Gut isser aber keine 2 Meter….“
Reppi sollte Recht behalten und landete kurz darauf den dritten „2er“ der Tour. Wir freuten uns alle über den Fisch. Trotzdem fiel der Jubel weniger euphorisch aus als bei den Fischen zuvor. Wir waren eben wirklich verdammt müde. Die Kohlrouladen, die Marc uns zum Tagesabschluss des Tages servierte, besorgten nach dem Versorgen des Fisches den Rest. Dann ging‘s in die Waagerechte.
Das Ablichten des Fisches im Morgengrauen geht schnell über die Bühne. Die aufgehende Sonne, das mit Tau bedeckte Gras und ein genial „mitspielender“ Fisch machten es nicht schwer, ein paar schöne Erinnerungen auf der SD-Karte zu bannen. Zwei weitere Fische aus der hinter uns liegenden Nacht fanden dort ebenfalls Platz.
Da das Auto längst beladen war …
war es uns möglich gleich nach der Fotosession nach einen Spot für den letzten Abend Ausschau zu halten. Vorher lieferten wir unseren vierbeinigen Freund jedoch noch in einem nahegelegenen Dorf ab.
Sonntagnachmittag …
ungläubig dreinblickende Menschen schauen auf uns herab. Wir schauen uns gegenseitig an und müssen lachen. Die Alubox zum Tisch umfunktioniert, sitzen wir auf Schlafsack, Futtereimer und Peli-Case auf irgendeinem Rastplatz mitten in Frankreich und genießen bei ‘ner guten Tasse Kaffee, ‘nem ordentlichen Stück „Groowoscht“ (Stangensalami) und dem übrigen Baguette die Mittagssonne. Hinter uns liegt eine ereignis- und abwechslungsreiche Woche mit 19 Fischen, einige groß, einige weniger groß, geilen Drills, lehrreichen Erlebnissen und jeder Menge Spaß.
Es tat gut für einige Tage dort zu fischen, wo die Natur schon einen Schritt weiter ist als in heimatlichen Gefilden und auch wenn der Trip nun zu Ende war, so bleibt doch die Vorfreude auf das, was wir in den nächsten Wochen und Monaten zuhause erleben werden.