Einmal Waller bitte …

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Einmal Waller bitte!

Es ist Ende Oktober, ich bin in Südfrankreich und ich habe eine Nacht vom Boot gefischt. Langsam verschwindet die Dunkelheit, denn sie verliert erneut ihren hoffnungslosen Kampf gegen das Tageslicht. Nebel bedeckt den Fluss und es war eine kühle, nasse Nacht an deren Ende leider ein Blank steht.

Die perfekt ausgelegten Montage blieben von den Welsen unbeachtet und die Rutenspitzen zeigen an, dass alle Köder noch fit am Gewässergrund arbeiten.Ich muss mehrmals versuchen meinen Benzinkocher zu starten, denn auch ihm hat die Feuchtigkeit der Nacht sehr zugesetzt. Als er dann endlich brennt und ich der blauen Flamme zusehe, wie sie mein Kaffeewasser erwärmt, denke ich kurz an den erlebten Blank der Nacht und ich versuche die Gründe dafür zu verstehen. Das ist „meine“ Realität beim Fischen und das Gefühl einer erfolglosen Nacht kenne ich sehr gut. Es gehört einfach dazu, es ist ein Teil der Passion und nur an Niederlagen kann man wachsen, wenn man daraus die richtigen Schlüsse zieht. Das Wasser kocht nun endlich und ich kann den ersehnten Kaffee aufbrühen, um mich von innen zu erwärmen.

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Während ich den ersten Schluck nehme, starte ich mein Handy und scrolle durch Facebook. Der übliche Wahnsinn erwartet mich und neben zahlreichen „Fischpostings“ gibt es auch ein paar neue Nachrichten im Postfach. Eine davon sticht mir besonders ins Auge: „Hi Sven, ich würde sehr gerne mal mit dir auf Wallerjagt gehen. Sag mir einfach, was ich für eine Woche bezahlen muss und dann machen wir das. Dabei ist mir das Gewässer egal, Hauptsache ich fange einen großen Fisch.“ Ich lehne diese Anfrage dankend ab und als ich mit dem Schreiben fertig bin, wird mir einmal mehr bewusst, dass aus meiner oder unserer geliebten Passion mittlerweile tatsächlich ein Konsumgut geworden ist.

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Der Waller auf Bestellung ist jederzeit und überall möglich, wenn man bereit ist, dafür zu zahlen. Anglerische Praxis, Erfahrungswerte und Ausdauer sind dabei scheinbar unwichtig. Es zählt nur der schnelle Erfolg und dafür zahlt man gerne. Weil der Waller in den Medien immer präsenter wird und weil auch die Nachfrage nach dem schnellen Wels scheinbar immer rasanter steigt, liest man mittlerweile Angebote für „Guidings“ überall.

Es scheint fast so, dass jeder, der seinen ersten Zweimeterfisch gefangen hat, dadurch automatisch seine Prüfung zum „Guide“ bestanden hat und deshalb ist es nur logisch, dass dieser (glückliche) Angler sofort seine eigene Webseite gestaltet und dort ab sofort mit Guidingangeboten wirbt. Oftmals muss für diese Veranstaltungen dann das eigene Hausgewässer herhalten, denn dadurch spart man sich lange und kostenintensive Touren ins Ausland. Ich denke, die befreundeten Angelkollegen haben kein Problem damit, wenn dann am Wochenende plötzlich die Guidingtouren auf dem Baggersee oder dem, bisher geheim gehaltenen, Altwasser gefahren werden.

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Jeder kann das ja so machen, wie er gerne möchte aber trotzdem kann ich mir an dieser Stelle ein Schmunzeln nicht verkneifen. Ich stelle mir gerade vor, was passieren würde, wenn ein Fahrschüler, der erfolgreich seine erste Überlandfahrt überstanden hat, ab sofort als Fahrlehrer fungieren würde!? Oder der Friseurlehrling sich nach seinem ersten „Sidecut“ Friseurmeister nennt!? Nur, weil man etwas (vielleicht auch nur in Teilaspekten) kann, bedeutet das doch noch lange nicht, dass man sich dadurch automatisch dazu berufen fühlen sollte, die eigenen Fähigkeiten anderen zu vermitteln. Damit ihr mich hier jetzt nicht falsch versteht, ich habe allergrößten Respekt vor den „wirklichen“ Guides unserer Szene.

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Das, was diese Jungs seit Jahren und über die ganze Saison hinweg am Wasser und für die Kunden leisten, ist harte Arbeit, bedeutet eine Menge Entbehrung und ist sicher sehr anstrengend für Körper und Geist. Ich finde dabei ist jeder Cent ehrlich verdient und für diese Jungs gibt es nur eine, passende Bezeichnung. Sie sind Profis und darin liegt der kleine aber entscheidende Unterschied zu den ganzen „Möchtegern- Guides“.

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Jetzt fragt ihr euch vielleicht, was denn einen dieser Angelprofis von den selbsternannten Guides unterscheidet. Meine Meinung dazu sage ich euch gerne. Ein professioneller Guide bestreitet seinen Lebensunterhalt durch Guiding, er hat langjährige Erfahrung mit dem Zielfisch und das in unterschiedlichen Revieren.

Außerdem ist er in der Lage, sein Wissen zu vermitteln, hat eine gute, soziale Kompetenz und er schafft es immer wieder zu improvisieren und zu modifizieren, denn es bedarf sehr viel Einsatz und Motivation in jeder neuen Tour Woche bei null anzufangen und alles dafür zu tun, dass der Gast seinen Fisch fängt. Außerdem zeigt sich für mich ein Profi auch in seiner Außendarstellung. Wie präsentiere ich Fische, was schreibe ich wo und wie!? Grundsätzlich ist es das Gesamtpaket, was hier den Unterschied ausmacht.

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Sicher gibt es unter den Amateuren auch fähige Angler, die bei den oben genannten Punkten einen Haken setzen können aber ich denke trotzdem, dass es bei ihnen einfach das viel geringere Zeitfenster ist, das den Unterschied zu den Profis ausmacht. Die Zeit am Wasser ist eben durch nichts zu ersetzen und darunter leidet unweigerlich die Routine und auch das Wissen. Nur durch regelmäßiges Training wird man besser und nicht um sonst „macht die Übung den Meister“ und deshalb verdient ein Guide nicht automatisch diesen Namen, nur, weil er sich als Guide fühlt und vielleicht auch die Dollar riecht.

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Wenn ich mir jetzt noch die Preise anschaue, die man für die aktuell angebotenen, professionellen Guidings bezahlt, verwundert es mich einmal mehr, dass man bei einem Amateurguide fast die gleiche Summe zu zahlen hat, wie bei einem nachweislichen Profi. Und es scheint tatsächlich auch Kunden zu geben, die sich der Herausforderung stellen und dieses Geld dann tatsächlich an einen Amateur bezahlen.

Sicher ist es oftmals die Unwissenheit oder vielleicht auch der Wille, ein paar Euro zu sparen aber ich denke, hier spart man dann definitiv an der falschen Ecke. Ich muss zugeben, dass auch ich, aufgrund der zahlreichen Nachfragen, in der Vergangenheit darüber nachgedacht habe, einmal Leute gegen Geld mitzunehmen. Bei mir ist das Ganze aber an zwei Dingen gescheitert. Zum einen sehe ich mich, trotz langjährigen Erfahrung, nicht als Profi oder Guide und noch wichtiger und kostbarer ist mir meine freie Zeit am Wasser, die ich viel lieber alleine oder mit Freunden verbringe, als mit Gästen oder Kunden.

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Meine kleine Kolumne hier ändert sicher nix an einer Entwicklung und ich finde, das muss sie auch gar nicht. Jeder entscheidet ja eigenverantwortlich über sein Handeln und das ist auch gut so. Ich wollte hier mit meinen Zeilen weder die Profis zu sehr loben, noch die Amateure zu sehr verspotten, ich wollte einfach einmal zum Nachdenken anregen. Nachdenken über die Sache, über eine Entwicklung und über uns Welsfischer.

Das Guiding hat in meinen Augen auf alle Fälle eine Berechtigung, solange es Gäste gibt, die dafür bezahlen und wenn das Ganze mit dem nötigen Respekt gegenüber der Natur, der Kreatur und auch anderen Anglern erfolgt, ist das aus meiner Sicht absolut in Ordnung. Ganz besonders am Herzen dabei liegt mir am Ende aber noch die bitte an alle „Neuguides“. Überlegt euch bitte gut, wo ihr eure Touren fahrt!

In diesem Sinne und nix für Ungut.

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